Resilienz: Mit diesem Begriff habe ich mich erstmals vor einigen Jahren anlässlich einer schweren Erkrankung bewusst auseinandergesetzt. Hatte ich mich bis dahin aus kleineren oder mittelgroßen Krisen irgendwie, mehr oder weniger gut, wieder herausmanövriert, so war dieses Mal mehr gefragt.
Resilienz meint die Eigenschaft mit belastenden Situationen so umgehen zu können, um dabei die physische, mentale, emotionale und spirituelle Gesundheit zu bewahren bzw. so rasch wie möglich wiederzuerlangen. In der Beurteilung der eigenen Resilienz sollten wir uns die Frage stellen wie wir uns mit herausfordernden Lebenssituationen – etwa wie wir sie derzeit aufgrund der Covid-18-Pandemie erleben – auseinandersetzen.
Angst, Panik oder auch Schock angesichts der abrupten Umsetzung der notwendigen Maßnahmen haben viele von uns zu Beginn der Coronavirus-Krise erlebt. Diese Reaktionen sind nur allzu menschlich. Was jedoch einen resilienten Menschen von einigem weniger resilienten unterscheidet ist die Fähigkeit mit diesen anfänglichen Irritationen gut oder weniger gut umzugehen. Bleibe ich in Angst (vor einer Ansteckung mit dem Virus, durch Einsamkeit oder Überforderung) und Starre, oder sehe ich diese Zeit vielleicht als Chance für mein inneres Wachstum? Wie wir auf eine krisenhafte Situation reagieren bestimmen wir. „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit“, beschreibt Viktor Frankl den Kern von Resilienz, nämlich den eigenen Handlungsspielraum in einer Situation zu erkennen und diesen Raum für unsere Entwicklung zu nützen.
Resilienz ist erlernbar, aber gewiss nicht von heute auf morgen. Das klingt zwar zunächst nach relativ viel Anstrengung – und der Gedanke vielleicht doch einfach wieder den Dingen ihren Lauf zu lassen hat sich anfänglich auch bei mir aufgedrängt – doch spätestens beim nächsten Schicksalsschlag, dem Verlust einer nahen Angehörigen einige Jahre später, wurde klar dass sich die Investition in das Erlernen von Strategien und Techniken gelohnt hatte.
Nun, wie kann ich Resilienz erreichen oder ihr zumindest näherkommen? Entscheidend dabei ist das Erkennen von Möglichkeiten sich mit einer krisenhaften Situation auseinanderzusetzen, sowie das Erkennen der Sinnhaftigkeit von Herausforderungen und der Auseinandersetzung damit. Am Beispiel der Coronavirus-Krise würde dies bedeuten, sich zu fragen, welche tiefere Botschaft hat diese Krise für mich und mein Sein in der Welt? Was sagen mir die Gefühle die ich derzeit erlebe? Leide ich vielleicht unter Einsamkeit, und gibt es in dieser Richtung persönlichen Entwicklungsbedarf? Wohin möchte ich mich in meinem Glauben entwickeln? Welche Ressourcen bietet mir der Glaube in der Bewältigung dieser Krise? Eine globale Pandemie in Zusammenhang mit dem eigenen Sein zu bringen und Verantwortung für die daraus resultierenden Lernaufgaben zu übernehmen bringt uns der Idee von Resilienz ein Stück näher.
Resilienz bedeutet nicht, dass wir völlig angstfrei durchs Leben gehen sollen oder können. Ganz im Gegenteil. Angst ist ubiquitär. Sie zeigt sich in der einen oder anderen Form immer wieder, auch bei spirituell geschulten Menschen. Und das ist gut so, denn Ängste liefern wertvolle Information darüber was uns wichtig ist im Leben, wo unsere Lernaufgaben liegen, und welche Aspekte unseres Lebens noch geheilt werden müssen.
Worum fürchten wir also in dieser Zeit der Pandemie? Um das Leben und die Gesundheit unserer Lieben, und das eigene Leben. Wovor fürchten wir uns? Vor dem kollektiven Erleben von Krankheit, Leid und Tod, in einem Ausmaß wie es die Nachkriegsgenerationen wahrscheinlich bisher nicht gekannt haben. Es gilt diese Information zwar wahrzunehmen, aber nicht in der Angst zu verbleiben. Sondern sie zu transformieren und die Botschaft dieser Angst zu leben: die Kostbarkeit des Lebens.
Die aktuelle Situation führt uns diese Kostbarkeit, Fragilität und Verwundbarkeit von Leben vor Augen. Darauf sollten wir jetzt unseren Fokus richten wenn wir Krisen als Chancen für die Erhöhung von Grundhaltungen wie Wertschätzung, Respekt, Demut, Vertrauen und Annahme wahrnehmen wollen. Wenden wir uns mit dieser Haltung ALLEN Menschen zu, und wenden wir uns auch dem eigenen Selbst liebevoll zu. Ein Schlüssel zu Resilienz liegt letztendlich in der Qualität unserer Beziehungen, in der tieferen Verbindung zu uns selbst und zu anderen. Sei es das Gefühl einer kollektiven Verbundenheit, unsere Verbindung mit Gott, unsere Beziehungen zu Familie, FreundInnen, PartnerInnen, NachbarInnen – sie lassen turbulente Zeiten leichter meistern. Hier liegen auch unsere Freiheiten und Möglichkeiten für innere Wachstumsschritte in krisenhaften Zeiten und darüber hinaus.
Der kollektive Schmerz von Krankheit, Leid und Verlust wie er sich während der Coronavirus-Pandemie zeigt fordert individuelle Reaktionen und Antworten, von jedem Einzelnen von uns. Ich bin mir sicher dass die Ostertage viele dieser Antworten hervorbringen. Hören wir nur hin.
Die Autorin ist aktives Mitglied der Pfarrgemeinde Dornbach, das Bild, gestern in Dornbach aufgenommen, zeigt für sie Wachstum und Entwicklung.