Sonntag, 6.9.2020
Lesung aus dem Buch Ezéchiel. 33, 7-9
So spricht der Herr:
Du Menschensohn,
ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben;
wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst,
musst du sie vor mir warnen.
Wenn ich zum Schuldigen sage:
Schuldiger, du musst sterben!
und wenn du nicht redest,
um den Schuldigen vor seinem Weg zu warnen,
dann wird dieser Schuldige seiner Sünde wegen sterben;
sein Blut aber fordere ich aus deiner Hand zurück.
Du aber, wenn du einen Schuldigen vor seinem Weg gewarnt hast,
damit er umkehrt,
und er sich nicht abkehrt von seinem Weg,
dann wird er seiner Sünde wegen sterben;
du aber hast dein Leben gerettet.
Eine Weissagung, die bei dem Überfall der Truppen von Nebukadnezar auf Palästina (587 vor Chr.) gesprochen wurde.
Jeder Christ als “Wächter” eingesetzt.
“ Ich gebe dich dem Haus Israel als Wächter”, nicht um nach der Sünde deines Bruders Ausschauen zu halten, sondern um den weg zu offenbaren, der zur Rettung führen kann. Fühle dich nicht damit beauftragt, die anderen zu verraten. Weise lieber den weg und geh ihn selbst. Verantwortlich sein, heißt, für das Leben der anderen haften ( “wenn du ihn nicht warnst, wird er sterben” ). Ein heikler Auftrag, vor Gott für diejenigen verantwortlich zu sein, die wir erziehn, und sogar nur zu begleiten haben!
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom. 13, 8-10
Schwestern und Brüder!
Niemandem bleibt etwas schuldig,
außer der gegenseitigen Liebe!
Wer den andern liebt,
hat das Gesetz erfüllt.
Denn die Gebote:
Du sollst nicht die Ehe brechen,
du sollst nicht töten,
du sollst nicht stehlen,
du sollst nicht begehren!
und alle anderen Gebote
sind in dem einen Satz zusammengefasst:
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.
Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.
Die gegenseitige Liebe als Ausgangspunkt und Gipfel eines jeden moralischen Lebens. Ein Auszug aus den Schlussempfehlungen dieses Briefes von Paulus, den er im Winter 57/58 aus Korinth gesandt hat.
Man liebt nie genug.
“Wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt”. Es ist aber schwierig, ohne das geringste Nötigungs- oder Besitzgefühl zu lieben. Außerdem liebt man nie genug! Über das moralische Gesetz hinaus gilt es, Gott zu lieben. das zweite Gebot setzt das erste nicht außer Kraft!
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus 18, 15-20
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Wenn dein Bruder gegen dich sündigt,
dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht!
Hört er auf dich,
so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.
Hört er aber nicht auf dich,
dann nimm einen oder zwei mit dir,
damit die ganze Sache
durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen
entschieden werde.
Hört er auch auf sie nicht,
dann sag es der Gemeinde!
Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht,
dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.
Amen, ich sage euch:
Alles, was ihr auf Erden binden werdet,
das wird auch im Himmel gebunden sein,
und alles, was ihr auf Erden lösen werdet,
das wird auch im Himmel gelöst sein.
Weiter sage ich euch:
Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten,
werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.
Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen.
Jesus gibt den Vorgang an, den es bei der brüderlichen Zurechtweisung zu respektieren gilt.
Zu gefallen suchen: eine Gefahr.
“Wenn dein Bruder sündigt…” Weder Weltverbesserer noch gleichgültig gegenüber dem Unrecht sein, besonders wenn es die Schwachen oder die kleinen trifft. Weder zu gefallen noch zu missfallen suchen, besonders wenn es bedeutet, Schmeichler oder Komplize zu sein, um zu gefallen.
Predigt P. Piotr Wojciechowski SSCC
Bei der brüderlichen Zurechtweisung berühren wir auch die offenen Wunden unseres Nächsten. Diese Wunden können schmerzlich sein. Sie sind entstanden zum Beispiel durch: Überlastung, Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, etc. Aber auch durch mangelhaftes Wissen oder negativen Lebenserfahrungen derer Menschen sich schämen. Oft verletzen Menschen einander gedankenlos. Zurechtweisung ist, wenn man ein Bild aus dem Evangelium verwendet um das zu beschreiben, wie die Entfernung des Splitters aus dem Auge unseres Nächsten. Man kann viele Schmerzen damit verursachen oder sogar das Auge kaputt machen. Jesus weist im heutigen Evangelium uns darauf hin: mit deinem Nächsten redest du zuerst unter vier Augen. Zurechtweisung vor den anderen Menschen ist demütigend und schmerzlich. Zum Beispiel: Die Eheleute sollen sich nicht vor den Kindern zurechtweisen, Eltern sollen Kinder nicht vor den Schulkollegen oder Freunden zurechtweisen. Diese Regel sollte man auch in Betrieben, Schulen und Büros beachten. Ein Mitglied der fokolaren Bewegung der in seiner Firma die Abrechnungen der Kollegen für die Direktion prüft, bespricht Fehler die er gefunden zuerst mit seinen Kollegen um diese zu korrigieren bevor er die Abrechnung weitergeleitet. Wie viel Böses könnte vermieden werden, wenn wir uns an das was Jesus uns vorgeschlagen hat halten würden. Zuerst unter vier Augen reden, offen ansprechen, was nicht in Ordnung ist. Das gibt dem anderen die Chance, leichter einen Fehler einzugestehen, eine Aussöhnung wird möglich. Wäre das nicht segensreich für manche Ehe oder Familie für manche Beziehung in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde? Als zweiten Schritt empfiehlt Jesus einen Schlichtungsgespräch mit zwei Zeugen. Es kann manchmal hilfreich sein, jemanden dazu zunehmen bei einem schwierigen Gespräch, jemand, der vielleicht die passenden Worte findet und auf jeden fall auch schweigen kann. Erst wenn diese Bemühungen nicht erfolgreich sind, kommt als dritter Schritt die Öffentlichkeit hinzu: „Sag es der Gemeinde“. Auch wenn ein gespräch in größerer Versammlung scheitert, ist jemand nicht endgültig ausgeschlossen. Nach dem Verständnis Jesu können auch Zöllner und heiden neu zurückgewonnen werden. Die entscheidende frage ist immer: Was ist ein Ziel meines Redens und Handelns? Will ich jemand anderen kaltstellen oder will ich ihm den Weg zu einem neuen Miteinander eröffnen? Vielleicht ist es gut, wenn wir uns selber an ein Gespräch unter vier Augen erinnern, das für uns heilsam war.