Predigtimpuls zum 25. Sonntag im Jahreskreis von Pfarrer Dr. Karl Engelmann
Hat mein Leben einen Sinn? Weiß ich, wofür ich lebe, arbeite, leide? Kein Mensch, der einmal erwacht ist, kommt an dieser Frage vorbei. Und keiner kann selber seinem Leben den letzten Sinn geben. Aber er kann ihn entdecken, noch in der elften Stunde. Und dann weiß er, dass er nicht umsonst gelebt hat; dass in seinem Warten und Suchen immer schon Gott anwesend war und auf ihn gewartet hat, so wie man auf einen Freund wartet. Gerade das ist ein Sinn, der weit über den Tod hinausgeht.
In der 1. Lesung hören wir, dass Gott anders ist – das ist keine neue Entdeckung. Der Prophet des 6. Jahrhunderts v. Chr. sagt es dem Rest des Volkes Israel im babylonischen Exil. Wo Menschen meinen, sie könnten von der Katastrophe her nur noch auf Sinnlosigkeit hin leben, da macht Gott einen neuen Anfang. Das Neue, das Unerwartete kommt aus dem Innersten, aus dem Herzen Gottes, denn „er ist groß im Verzeihen“. Er wendet sich den Menschen wieder zu; deshalb können auch die Menschen sich ihm wieder zuwenden. Die Wege Gottes sind größer und reichen weiter, als wir uns vorstellen können.
An diesem und den drei folgenden Sonntagen werden Abschnitte aus dem Brief an die Gemeinde von Philippi gelesen.. Paulus hat diesen Brief um das Jahr 55 n. Chr. im Gefängnis geschrieben. Der Apostel rechnet mit seinem Tod – aber das ist nicht sein Problem. Wichtiger ist ihm, dass Christus „verherrlicht“ wird: dass durch das verkündete Wort und durch den gelebten Glauben der christlichen Gemeinde Christus als der Herr erkannt wird.
Im Evangelium hören wir klare Worte über die Gerechtigkeit Gottes. Gott belohnt das Gute und bestraft das Böse. Das scheint einleuchtend, wenigstens als Grundsatz. Aber Gott ist kein Grundsatz, und seine Gedanken sind nicht die Gedanken der Menschen – zum Glück. Wäre er nur gerecht, so wie die Menschen gerecht sind: Wir alle wären verloren. Aber Gott ist größer: Er ist auf göttliche Weise gerecht; er hat kein Kleingeld. Auch dem Arbeiter, der nur eine Stunde gearbeitet hat, gibt er den ganzen großen Lohn. Sein letztes Wort: „weil ich gütig bin“. Fast scheint es, als müsse er sich dafür bei den Pharisäern entschuldigen.
Einmal kommt der Tag, an dem Gott uns unser ganzes Leben aufdeckt. Da gibt es nichts mehr zu verdrängen. Wir müssen uns alles anschauen, all unser Licht, aber auch all unseren Schatten. Aber genau da können wir auf die unendliche Güte Gottes vertrauen. Er verurteilt nicht, sondern kommt uns mit seiner Güte entgegen. Wir dürfen heute schon die unendliche Güte Gottes entdecken und darüber staunen. „Was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst!?“
Pfarrer Karl Engelmann
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