Predigtimpuls zum 26. Sonntag im Jahreskreis von Diakon Boris Porsch
Wir hören heute im Evangelium ein Gleichnis, das uns von Jesus überliefert ist. In dem Gleichnis ruft ein Vater seine Söhne zur Arbeit in seinem Weinberg. Beim Lesen des Textes fiel mir die Freiheit auf, die der Vater seinen Söhnen lässt. Er drängt sie nicht. Er fordert sie zwar zur Mitarbeit auf, lässt ihnen aber die freie Wahl, mitzuhelfen oder nicht. Er zwingt sie nicht.
Wie war das eigentlich bei Jesus selbst, von dem dieses Gleichnis bei Matthäus überliefert ist? Hatte er eigentlich die Wahl, seine Sendung im Weinberg des Herrn zu erfüllen? Oder war er ein willenloser Heilsautomat, der wie ein Roboter ausführte, was Gott ihm befahl? Wenn er aber keinen eigenen Willen hatte, dann war er ja auch nicht ganz Mensch, oder? Hat er dann das ganze Menschsein angenommen, wenn ihm die Freiheit fehlte? Dann würde ja nicht zutreffen, was seit langem durch die Lehre der Kirche vertreten wird: Dass Jesus GANZ Mensch wurde. Ich denke schon, dass der freie Wille zu den grundlegenden Eigenschaften des Menschen gehört (auch wenn das heute in den Neurowissenschaften angezweifelt wird).
Bei Paulus heisst es in der 2. Lesung, „er war gehorsam bis zum Tod – bis zum Tod am Kreuz“ . Was bedeutet dieser Gehorsam? War Jesus doch ein willenloser Heilsroboter? Jesu Gehorsam war ganz sicher kein blinder Gehorsam, sondern ein sich immer wieder frei entscheiden für den Bund mit Gott – für die Gemeinschaft mit Gott und in keiner anderen überlieferten Stelle wird das anschaulicher als in der Ölbergszene, in der Jesus mit seiner ganzen Sendung ringt. Einerseits bittet er, der Kelch möge an ihm vorrübergehen, aber gleich darauf legt er mit den Worten „verherrliche deinen Namen“ seine Sendung in die Hände des Vaters.
Joseph Ratzinger meint mit Hinblick auf diese Situation im Leben Jesu: „Die ganze Dramatik des Ölberggeschehens besteht darin, „dass Jesus den Naturwillen des Menschen aus der Opposition in die Synergie in die Gemeinschaft zurückholt und damit den Menschen in seiner Größe wiederherstellt.“
Es geht bei der Sendung Jesu um die Wiederherstellung des Menschen, der in Gemeinschaft mit Gott lebt. Aller menschliche Unwille, der menschliche Widerstand und sein ganzes Aufbegehren gegen Gott ist im Naturwillen Jesu gegenwärtig. Jesus hat erlebt was auch wir immer wieder erleben! Angst, Resignation, Mutlosigkeit. Das Ringen Jesu am Ölberg besteht darin, den tiefsitzenden Widerwillen des menschlichen Wesens im Gebet durchzustehen und auszuhalten, und so die widerständige Natur zurück zu ihrem eigentlichen Wesen, in die Gemeinschaft mit Gott hinaufzuziehen. Das bedeutet, Er hat geschafft, was wir aus eigener Kraft nicht vermögen. Für uns.
Die Frucht der Sendung Jesu im Weinberg seines Vaters dürfen wir heute genießen. In der Eucharistie. Wir empfangen Frucht, wenn wir zu Altar treten, in der Hl. Kommunion. Kommunion, die Gemeinschaft mit Gott, die Gemeinschaft untereinander als Brüder und Schwestern – das ist, mit den Worten unseres Papstes Franziskus, die wirkliche „Freude des Evangeliums“.
Diese Freude lässt uns aufleben, diese Freude kann wahrlich zur Umkehr bewegen. Diese Freude ist keine billige Freude, die das Kreuz des Lebens ignoriert, sondern eine Freude, die uns gerade in Krisenzeiten, die uns manchmal an unsere Grenzen bringen, bei Gott und damit auch bei uns bleiben lässt. Diese Freude wünsche ich Ihnen allen am heutigen Sonntag.
Denken wir an unseren Unmut und unseren Widerwillen in Zeiten, die uns zu überfordern scheinen – in den verschiedensten Situationen in unserem Leben. Denken wir daran, Jesus Christus selbst ist schon dort gewesen. Er schenkt Leben, wo wir es nicht vermögen.
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