Pfarrer Dr. Karl Engelmann
Gott schließt mit Israel einen Bund. Das Volk kann das Bundesangebot frei annehmen, und das tut es auch. So wird Israel zum Volk Gottes, zu dessen besonderem Eigentum. Der Bundesschluss ist das Fundament der Beziehung zwischen Gott und Israel. Der wesentliche Satz ist der einleitende:
„Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“
Vor der Proklamation der Gebote sagt Gott, was er für das Volk getan hat. Aus dem Bundesschluss ergeben sich die Gebote, die Satzungen Gottes. Den Eigenheiten der hebräischen Sprache folgend, ist „Du sollst“ besser zu übersetzen mit „dann wirst du doch nicht“. Also: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Dann wirst du doch nicht dir ein Gottesbild machen … dich vor anderen Göttern niederwerfen …“ usw.
Das bekannte Evangelium von der Tempelreinigung hat große Bedeutung für unser persönliches wie auch für das gesellschaftliche und das kirchliche Leben. Jesus sieht, wie aus dem Tempel, dem offiziellen Ort des gemeinschaftlichen Betens, ein Ort des Feilschens und Handelns gemacht worden ist. Das erträgt er nicht, und er treibt alles hinaus, was mit dem Tempel und seinem Sinn und Zweck nichts zu tun hat. (Es erstaunt, dass er nicht sofort verhaftet wird.)
Vor einem jeden von uns sollte die Frage stehen: Was alles hat bei mir sich eingeschlichen, das hinausgetrieben gehört? Was müsste ich loslassen, wovon mich verabschieden? Weiter: Was müsste die Kirche, was müssten wir als Pfarrgemeinde aus dem kirchlichen Leben ausscheiden, weil es überholt ist, weil es nicht dem Evangelium entspricht, vielleicht niemals ihm entsprochen hat? Welche gesellschaftlichen Übereinkünfte müssten aufgegeben werden, weil sie nicht mehr tragfähig sind? Was sehen wir durch die gegenwärtige Pandemie in einem neuen Licht und nehmen es, gleich einem alten Kleid, als von der Zeit verschlissen wahr, als nicht länger tragfähig? Sollen wir später, wenn die Gefahr für unsere Gesellschaft überstanden ist, zur „alten Normalität“ zurückkehren, sprich: die alten Kleider uns wieder anlegen ‒ dann, wenn die Zeit neu ist? Die Coronapandemie ist eine Zeit der Reinigung. Ob sie einen Sinn gehabt haben wird, entscheiden wir mit unserem Handeln.
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