Ostern

Boris Porsch

Nicht unbedingt als Osterwitz, aber doch als augenzwinkernden Impuls über die Osterfreude möchte ich an dieser Stelle dieses fiktive Interview der jungen deutschen Homepage y-nachten.de präsentieren.[1]

Vor kurzem hat sich Karl Rahner SJ unseren Fragen zur Fastenzeit gestellt. Heute sprechen wir mit ihm über das Thema „Ostern“. Rahner spricht Karltext – eine neue Serie bei y-nachten.de.

y-nachten.de: Herr Prof. Rahner, es ist uns eine große Freude, dass Sie sich erneut Zeit für uns nehmen. Wir dürfen direkt in die Thematik einsteigen: Wie haben Sie die Feiertage verbracht? Was kam gestern bei Ihnen zum Essen auf den Tisch?

Karl Rahner SJ: Vor etwa 15 Jahren erhob sich ein ungarischer Erzbischof bei der Tafel und sagte: „Herr Pater, ich habe mich erkundigt und festgestellt, daß Sie erstens gerne Eis essen und zweitens gerne ‘Kent’ rauchen.“

Nun, das Rauchen habe ich schon vor Jahren aufgegeben. Eis aber esse ich noch immer gern, wobei ich finde, daß die verschiedenen Coupes, die in Gasthäusern angeboten werden, zu groß sind. Auch muß ich gestehen, daß mir österreichische Mehlspeisen mehr liegen als zum Beispiel Schnitzel.

y-nachten.de: Gestern Nacht haben wir die Osternacht gefeiert, das Triduum hat seinen Höhepunkt gefunden. Was ist das Besondere an dieser liturgischen Feier?

Karl Rahner SJ: In der Liturgie der orthodoxen Kirche (vorausgesetzt, daß nicht auch sie in einem spießig gewordenen Ritualismus verdorben ist, den wir nur zu oft bei uns kennen, durch die je eigene Schuld freilich) umarmen sich die Gläubigen in der Osternacht unter Tränen und Jubel zugleich: Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden. Man kann es nicht organisieren und liturgisieren: Aber in der Osternacht sollten sich die Glaubenden (d. h. die, die zu glauben meinen und hoffen, es aber von sich auch nicht so genau wissen) und die „Ungläubigen“ (d.h. die, die meinen, solchen Osterglauben nicht zu haben) gegenseitig umarmen als die trotz allem und gegen alle Hoffnung gemeinsam Hoffenden. Der Ungläubige müßte sich eigentlich freuen, daß sein glaubender Bruder hofft zu glauben, selbst wenn er solchen Glauben als die wunderbarste Illusion meint interpretieren zu müssen, aber dabei hoffentlich sich nicht einbildet, sein Unglaube sei das Gewisseste und Verläßlichste.

y-nachten.de: Und was bedeutet Ostern für Sie persönlich und für die Kirche als Ganze?

Karl Rahner SJ: Ostern ist keine Feier eines vergangenen Ereignisses. Das Alleluja gilt nicht dem, was war. Ostern proklamiert einen Anfang, der schon über die fernste Zukunft entschieden hat. Auferstehung sagt: der Anfang der Herrlichkeit hat schon begonnen. Und was so begonnen hat, das ist daran, sich zu vollenden!

y-nachten.de: Glauben Sie, dass das Grab leer war?

Karl Rahner SJ: Das leere Grab, das älteste Tradition bezeugt, ist nicht der Ausgangspunkt, sondern eine Verdeutlichung des Osterglaubens, schon weil es für sich allein keine Auferstehung besagt und grundsätzlich Auferstehung als endgültiges Heil des ganzen Menschen vom Schicksal seiner ehemaligen Stofflichkeit unabhängig ist. Auferstehung Jesu besagt, daß er als konkreter der durch und in Gott ewig Gerettete ist.

y-nachten.de: Wenn Sie sagen müssten, was Ihnen lieber ist: Weihnachten oder Ostern?

Karl Rahner SJ: Es ist selbstverständlich, daß wir als Christen nur vom Kreuz und der Auferstehung Jesu her einen wirklichen Zugang zur Tatsache und zum Sinn des Weihnachtsfestes finden können. Wir feiern die Geburt dessen, den wir in seinem Tod und seiner Auferstehung als unseren Erlöser und Herrn, als die unwiderrufliche Heilszusage Gottes gefunden haben. Nur von daher kann uns die Geburt Jesus bedeutsam sein, eben als der Anfang dieses Lebens und Sterbens, in dem unser Leben die unwiderrufliche Zusage der ewigen Freiheit erhielt.

y-nachten.de: Lassen Sie uns auf die kommenden Wochen schauen – Ostern ist vorbei, bis Weihnachten dauert es noch eine ganze Weile: Wie bewahren Christ*innen sich die Osterbotschaft im Alltag?

Karl Rahner SJ: Wo die bruchstückhafte Erfahrung von Liebe, Schönheit, Freude als Verheißung von Liebe, Schönheit, Freude schlechthin erlebt und angenommen wird, ohne in einem letzten zynischen Skeptizismus als billiger Trost vor der letzten Trostlosigkeit verstanden zu werden, wo der bittere, enttäuschende und zerrinnende Alltag heiter gelassen durchgestanden wird bis zum angenommenen Ende aus einer Kraft, deren letzte Quelle von uns nicht noch einmal gefaßt und so uns untertan gemacht werden kann, da ist Gott und seine befreiende Gnade.

y-nachten.de: Für viele junge Theolog*innen steht das neue Semester vor der Tür. Was können Sie ihnen für ihr Studium mit auf den Weg geben?

Karl Rahner SJ: Du brauchst nicht auf einen Schlag ein Heiliger oder der zu werden, der Du gerne wärest in Deinen Träumen. Aber Du könntest mindestens einmal am Tag ein paar Zigaretten weniger rauchen oder einmal ein paar Tage lang pünktlich aufstehen oder Dir eine gewisse Zeit zum Studium abverlangen. Wenn Du dieses oder jenes so von Dir forderst und auch wirklich leistest, auch wenn es scheinbar nur eine Kleinigkeit ist, wirst Du merken, daß Du weiterkommst.

y-nachten.de: Herzlichen Dank, Herr Prof. Rahner!

Hashtag der Woche: #karltext


[1] https://y-nachten.de/2019/04/rahner-spricht-karltext-ostern/

Alle Antworten stammen aus den Schriften Karl Rahners und wurden für das Interview kreativ neu angeordnet und dazu z.T. redaktionell bearbeitet

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