Pfarrer Dr. Karl Engelmann
Ich glaube nicht, dass Jesus die beiden Emmausjünger im Stich gelassen hätte. Ich bin mir sicher: Jesus wäre so oder so bei ihnen gewesen. Aber dass ihn die Jünger am Ende auch wirklich erkannt haben, das ist keine Selbstverständlichkeit. Dazu war notwendig, dass sie wirklich bis nach Emmaus gegangen sind.
Hätte anders kommen können. Was wäre denn passiert, wenn sie zwischendurch einfach gesagt hätten: ‚Eh, der nervt, der Schwätzer, es ist doch sowieso alles sinnlos, wir kehren um.‘? Dass die tatsächlich den ganzen Weg gegangen sind, das ist alles andere als selbstverständlich.
Dort fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen, am Ende des Weges, erkannten sie ihn und begriffen wirklich, was Sache war. Es hätte anders kommen können. Wenn die Jünger halbe Sachen gemacht hätten, wäre die Emmaus-Geschichte nie gut ausgegangen. Einen Weg muss man ganz zurücklegen. Es reicht schließlich nicht aus, Dinge halbherzig anzugehen und dann halbfertig liegen zu lassen. Das führt zu nichts. Das gilt im Grunde für alle Dinge im Leben. Das gilt für jeden und jede ganz persönlich, fängt in der Schule an und hört in der Ausbildung und bei der Partnerschaft längst nicht auf. Wer Dinge halbherzig tut, wer halbe Sachen macht, wird selten erfolgreich sein.
Das gilt aber nicht nur für uns als Individuen, das gilt für uns als Gesellschaft nicht minder. Und bei den ganz großen Themen wird das besonders deutlich. Wenn uns zum Beispiel Jugendliche im Augenblick vor Augen halten müssen, dass halbherzig an den Klimaschutz zu gehen letztlich nichts bringt, dann ist das ein sehr gutes Beispiel dafür.
Wir alle wissen, dass es den ganzen Einsatz brauchen wird, um die größte Katastrophe noch einmal abzuwenden, das stellt kaum jemand in Abrede.
Wir sagen mit großer Mehrheit „Ja“ dazu. Aber da müssen doch auch alle anderen mitmachen, es bringt überhaupt nichts, wenn wir alleine etwas tun! Aber wir wollen doch keinesfalls dabei unseren Wohlstand riskieren oder gar Arbeitsplätze verlieren.
Das kommt mir immer mehr so vor, als würden wir vor dem Abgrund stehen und müssten wenigstens zwei Meter weit springen, um auf der rettenden Seite wirklich anzukommen, aber wir diskutieren erst einmal darüber, ob zwei Meter nicht doch zu anstrengend sind, und ob es fünfzig Zentimeter nicht auch tun würden.
Keine halben Sachen! Das nehme ich aus dem heutigen Evangelium mit. Und das nehme ich auch mit für unsere Kirche und die neuerlichen Diskussionen darüber, wie man Kirche für die Zukunft fit machen könne. Ja, man wird wohl Abschied nehmen müssen, von Vielem, was man in der Vergangenheit liebgewonnen hat. Es braucht eine Neustrukturierung in allen Bereichen: bei den Pfarreien, bei den Finanzen, beim Einsatz der Ehrenamtlichen, bei der Arbeit der Hauptamtlichen, und da sind die Gemeinden und die Kirchenleitungen voll dabei.
Die Jünger von Emmaus machen mir deutlich: Wären sie zu kurz gegangen, das Happy End wäre ausgeblieben. Die Jünger damals haben aber keine halben Sachen gemacht. Und sehr viele Menschen auf dieser Erde haben es ihnen in ihrem Leben gleichgetan. Sie haben ihr Leben gemeistert, weil sie ihren Weg mit ganzem Einsatz gegangen sind. Und viele werden es ihnen heute gleichtun. Ob wir das als Gesellschaft noch schaffen, ob wir im Blick auf unser Klima rechtzeitig anfangen, keine halben Sachen mehr zu machen. Werden wir als Gesellschaft und Kirche wirklich weit genug springen, um den Abgrund zu überwinden – möge Gott es geben…
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