„Glauben heißt nicht wissen“ – Thomas unser Patron

Predigtimpuls – Weißer Sonntag 2021

P. Lorenz Voith, Marienpfarre- Redemptoristen, Hernals

Der „Star“ des heutigen 2. Ostersonntags ist der Apostel Thomas.

Neben Petrus und Paulus ist der am meisten beschriebene Apostel. Später der Begründer der christlichen Gemeinden in Südindien. Und einer, der auch in der Kunst sehr oft vorkommt. So im berühmten Gemälde von Carravagio: „Der ungläubige Thomas vor Jesus“.

Und Jesus führt seinen Zeigefinger in seine Seitenwunde. Großartig festgehalten. Wie viele andere Gemälde.

Thomas, der moderne Heilige. Der Apostel, der dem Menschen aller Zeiten sehr nahe war. Einer, der wie wir vielleicht auch Beweise wollte, selbst sehen und erkennen wollte, …

Sie alle kennen den Spruch: „Glauben heißt nicht wissen“.

Stimmt die Aussage so? Stehen Glauben und Wissen wirklich im Gegensatz zueinander? Schließen sie sich aus? In vielen Sendungen im Fernsehen werden laufend naturwissenschaftliche Studien präsentiert. Die Wissenschaft wird oberste Richterin, Erklärerin; der Glaube bleibt oft dahinter hinkend, …

Viele sind überzeugt: Der Glaube fängt da an, wo das Wissen aufhört. Wenn du also nichts Genaues weißt, kannst du immer noch mit bloßen Vermutungen versuchen. Dann kannst du immerhin noch glauben. Besser gesagt: Dann bleibt dir nur noch der irrationale, nicht nachvollziehbare Glaube.

Basis dieser Meinung ist die Vorstellung, dass Wissen der exakte, experimentell gesicherte Erkenntnisstand der Naturwissenschaften ist. Glauben hingegen ist lediglich eine unklare Vermutung, eine Art Überzeugung, in die man sich hineinsteigert, …

Aber ehrlich gesagt: Glauben und Wissen hängen vielmehr sehr eng zusammen.
Interessanterweise haben oft gerade Naturwissenschaftler eine Brücke zwischen Glauben und Denken geschlagen. So zum Beispiel der Physiker Max Planck, der unterstrich: „Beide, Religion und Naturwissenschaft, bedürfen des Glaubens an Gott; für die eine steht Gott am Anfang, für die andere am Ende allen Denkens und Wissens.“ In diesen Aussagen zähle ich  auch den großen österr. Wissenschaftler Anton Zeilinger.

Wo beginnt Glaube?

Glauben hat auch etwas mit Erkenntnis zu tun. Er ist etwas anderes als ein Gefühl. Er ist mehr als ein subjektiver Eindruck. Glaube betrifft alle Sinne. Die Bibel beschreibt Glauben folgendermaßen (Hebräberbrief): 

„Der Glaube ist der tragende Grund für das, was man hofft: Im Vertrauen zeigt sich jetzt schon, was man noch nicht sieht.“ 

Hebr 11,1

Ja, Glaube ist subjektiv und auch persönlich. Glaube hat aber nach christlichem Verständnis auch mit einem Geschenk zu tun. Mit Gnade, wie es oft heißt.

„Glauben heißt nicht wissen“

Nun: Eigentlich wissen wir Menschen sehr, sehr wenig. Wissen wir überhaupt etwas über die Tiefe der Beziehungen zu Menschen? Oder auch über uns selbst. Sind wir uns nicht selbst manchmal selbst ein Rätsel? Der Mensch braucht als Kleinkind das Vertrauen der Erwachsenen; es bedarf eines „Urglaubens“, damit wir lebensfähig werden, …

So komme ich zurück auf Thomas den Apostel.

Unseren heutigen Star. Den Zweifler und den großen Glaubenden.

Er war mit Jesus unterwegs.Er war einer der engsten Anhänger dieses Rabbi, er erwartete sich noch viel. Und dann: Tod des Herrn, Zerstörung, Angst. Alles umsonst. Wie geht es weiter? War all das nur ein „Tagtraum“?

Und da: der Auferstandene. Er stellt sich ihm, dem Apostel. Er verurteilte ihm nicht. Er ließ sich ein auf diese Zweifel, die auch auf Angst begründet waren.

Thomas macht den Glauben, so wie er beschrieben wird, menschlich.

Er wird so zum Patron der Menschen, die sich Gott nähern wollen.

Zu unserem Patron, … Auf der anderen Seite dürfen wir Thomas beneiden: Er hat wirklich erfahren und „gesehen“, …

Auch wir dürfen Zweifel haben, oder Anfragen an unsere Vorstellungen, an unsere Gottesbilder, … Ja, wir dürfen uns selbst in Frage stellen. Glaube ich „wirklich“ an das, wie beschrieben? Oder muss ich mich verändern, bewegen, in meinem Glauben, in meinem Vertrauen auf diesen „Urknall“ des Christentums – damals zu Ostern?

Ja: es bleibt ein Wagnis, diesem Glauben an Jesus zu folgen.

Es lohnt sich aber! Was für Alternativen gibt es eigentlich, …?
Große Frauen und Männer der Welt- und Kirchen- und Weltgeschichte zeugen: davon: Maria an erster Stelle; Augustinus, Franziskus, Ignatius von Loyola, Theresia von Avila, Katharina von Siena, Alfons von Liguori, Don Bosco, Klemens Hofbauer, Johannes XXIII, Mutter Teresa, … oder so manche unserer Bekannten, Verwandten: ich denke da auch an Verstorbene aus unserer Mitte.  … Viele dieser hatten eine Ahnung, ließen sich von diesem Glauben auch tragen, auch durch Schmerzen, Krankheiten, Niederlagen, großen Augenblicken, wie letztlich auch durch den Tod hinein, …

Es lohnt sich, diesem Glauben Gestalt zu geben.

Das sage ich auch aus persönlicher Erfahrung heraus.

Der in aller Demut getragene Glaube verändert die Menschen. Es veränderte die Welt. Ja, wir verändern damit auch unsere heutige Kirche. Und sie muss sich verändern, neu gestalten, … wie schon so oft im Laufe der Geschichte, …

Der Glaube kann uns auch heilen. In vielerlei Hinsicht.

Möge es so sein. Ein Blick auf den Apostel Thomas kann uns dabei begleiten.

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