Schon der äußere Aufbau, obwohl dem Markus nachgestaltet, erhält bei Lukas theologische Bedeutung: Jesu Wirken beginnt im fernen Nazareth und Galiläa. 9,51 kennzeichnet als Schlüsselvers einen Wendepunkt: den Beginn der Reise nach Jerusalem, der Heiligen Stadt, dem Ort der Vollendung. Was in Galiläa einen Anfang genommen hat, wird in Jerusalem im Ostergeschehen vollendet. (Dieser geographisch-theologische Gedanke wird in der Apostelgeschichte fortgesetzt, wo gemäß den in 1,8 angegebenen „Stationen“ die Ausbreitung des Evangeliums in Jerusalem, Judäa, Samaria bis an die Grenzen der Erde, das heißt Rom, dargestellt wird).
Für Lukas ist die Heilsgeschichte konkret eingeordnet in die Weltgeschichte. Was Gott in der Zeit vor Jesus von Nazareth an seinem Volk gewirkt hat, ist hingeordnet auf die Erfüllung in und durch Jesus Christus. („Erfüllen“ und „Erfüllung“ sind demnach Lieblingsworte des Verfassers; das Darstellungsthema Verheißung im Alten Testament – Erfüllung in Jesus wird vom Evangelisten gerne angewendet.) Nach der Zeit der Erwartung des Alten Testaments bricht mit Jesus Christus die „Mitte der Zeit“ an, in die die entscheidende Auseinandersetzung mit Satan und die Überwindung seiner Macht fällt. Auf diese grundsätzliche Wende der Heilsgeschichte folgt die Zeit der Kirche, getragen von der Erfüllung des Erlösungswerkes und dem Warten auf die noch zukünftige Vollendung. Lukas schreibt schließlich sein Evangelium in einer Zeit der Konsolidierung der urkirchlichen Gemeinden: Nicht auf ein kurzes Warten auf die Wiederkunft Christi, sondern auf ein beharrliches Leben im Glauben musste die Kirche vorbereitet werden. Deswegen betont der Verfasser die Dauerhaftigkeit der Botschaft Jesu und interpretiert sie für die neue Situation der Gemeinde. Lukas stellt Jesus als einen menschenfreundlichen, gütigen, sich erbarmenden Messias dar.
Die Lehrtätigkeit Jesu wird hervorgehoben, die Heilungstätigkeit Jesu wird gegenüber den anderen Evangelien besonders betont. Jesus kommt zu den Armen und Sündern, er ist der Heiland, der sich aller Menschen erbarmt und sucht, was verloren ist. Mit seiner Verkündigung will Lukas für die junge Kirche um das Jahr 80 bis 90 ein Fundament zur Festigung des Glaubens und zur Bewältigung der Probleme dieser christlichen Generation legen. Für Lukas ist das Heute wesentlich. Jesu Tun geschieht heute. Dies ist gültig bis zum heutigen Tag.