In einer Radiosendung habe ich kürzlich ein Interview mit einer US-amerikanischen Unternehmensberaterin gehört, die sich in den vergangenen Jahren auf das Beratungsgeschäft für christliche Kirchen verlegt hat (sowas gibt’s – wohl nur in Amerika). In dem Interview sagt sie: „Es gibt in der Regel zwei Gründe, warum der Katholischen Kirche fern stehende Menschen nicht in den Gottesdienst kommen: Erstens, weil sie von niemandem angeschaut werden, und zweitens, weil sie keine Ahnung haben, was da abgeht.“
Als „Alpha“ vor über drei Jahrzehnten in einer Pfarre Londons entwickelt wurde, da war es dort auch nicht anders. Die bestehende Gemeinde, meist im Alter von 60 plus, freute sich übers Wiedersehen, man grüßte sich überschwänglich, war vertraut miteinander und lachte… und hat vor allem ein Bild nach außen abgegeben: das einer verschworenen Gemeinschaft, zu der ein Zutritt für Neuankömmlinge unmöglich schien.
Diese Erfahrung machen wir auch in unseren Wiener Pfarrgemeinden. Es ist sonntags bei uns wie bei einem Familienfest: alle kennen sich, alle mögen sich (mehr oder weniger). Sollte jemand Neuer hinzukommen, wird er allerdings kaum wahrgenommen – nicht aus böser Absicht, sondern weil unsere Gemeinden darauf gar nicht eingestellt sind. Wer aber nicht offen ist für neue Menschen, wird sich nicht verändern. Und was sich nicht verändert, stirbt ab. Höchste Zeit, das anzugehen.
„Alpha“ ist die Chance zur Begegnung von Glaubenden, Nichtglaubenden, Nocheinbisslglaubenden und Nichtmehrglaubenden. „Alpha“ geht so: Miteinander plaudern bei gutem Essen, einander kennen lernen, ein Video schauen oder einen kurzen Vortrag hören über ein Thema des Glaubens, darüber ins Gespräch kommen. Auf gleicher Augenhöhe, ohne „Startvorteil“ der Expertinnen und Experten und der besonders Frommen. Aus anfänglicher Neugier und einem vagen Interesse für den Glauben können sich neue Perspektiven und eine Neuorientierung fürs Leben entwickeln.
Alle Meinungen sind gefragt – Deine Meinung ist gefragt. „Alpha“ läuft bei uns in Dornbach immer mittwochs, von 19.30 bis 21.15 Uhr. Nach neun Abenden und einem Wochenende ist es vorbei.
Vergangenes Jahr haben wir in Dornbach zum ersten Mal zu „Alpha“ eingeladen. In der Folge sind daraus zwei Gruppen entstanden, die sich bis heute alle drei Wochen treffen, um sich mit Glaubens- und Religionsfragen auseinanderzusetzen.
Im heurigen Herbst sind erstmals die Eltern der Erstkommunionkinder unsere Gäste. Seit dem „Alpha“-Start sind nun vier Abende vergangen, und ich freue mich inzwischen auf den Mittwochabend. Da treffe ich sympathische Menschen und habe gute Gespräche. Und das Essen schmeckt.
Papst Franziskus fordert in seinem Schreiben „Evangelii Gaudium“ alle Christen auf, missionarische Jünger zu werden. Er schreibt: „Jeder Christ ist in dem Maß Missionar, in dem er selber der Liebe Gottes in Jesus Christus begegnet ist.“ (EG 120) Genau das ist Ziel von „Alpha“: Gemeinsam die Liebe Gottes kennen lernen. Diese Liebe ist im Christentum nämlich sehr konkret: sie heißt Jesus.
Jesus ist uns nahe, gerade in unseren Schwächen. Sein Wort schenkt uns Kraft, sein Geist verleiht unserem Leben Klarheit und Sinn. Wer IHN einmal getroffen hat, weiß, dass das Leben ohne IHN nicht mehr dasselbe ist. Was wir entdeckt haben, was uns zu leben hilft und Hoffnung gibt, das wollen wir den anderen mitteilen. Mit „Alpha“ geht das gut.
Wolfgang Kimmel, Pfarrer von Dornbach