Dr. Wolfgang Kimmel
Wie gut verstehe ich den Petrus. Er wehrt sich gegen das Leiden, besonders wo es seinen Meister Jesus treffen soll. „Gott möge verhüten, Jesus, dass Du getötet werden sollst!“ — Petrus will Jesu Leben retten, bewahren vor dem Tod.
Das ist normales menschliches Verhalten: sein Leben bewahren, sich verwirklichen, sich Ansehen verschaffen, erfolgreich sein, bis einem die Welt zu Füßen liegt – und sei es auch nur die kleine Welt rund um uns. Dazu arbeiten wir bis zur Erschöpfung, dazu schicken wir unsere Kinder in gute Schulen, dazu nehmen wir einiges in Kauf.
In Nichts unterscheiden wir uns da von Petrus. Und deshalb gilt uns genauso der Fluch Jesu – „hinweg mit dir Satan!“ – wahrlich kein Kosewort. Aber warum sollen unsere Wünsche nach dem guten Leben, nach Beliebtheit und Erfolg um alles in der Welt teuflisch sein?
Weil Jesus mit diesem normalen und vernünftigen Denken und Wünschen bereits Erfahrung gemacht hatte, ganz zu Beginn seines Wirkens, in der Wüste, als er vom Teufel versucht worden ist. Auch der hat ihm damals genau die gleichen Vorstellungen versucht schmackhaft zu machen. Aber ist es wirklich teuflisch, dem gesunden Menschenverstand und den normalen Wertvorstellungen zu folgen?
Jesus erklärt es seinen Jüngern; ich verwende hier eine Bibel-Übersetzung von Klaus Berger und Christiane Nord. Da heißt es:
„Denn wer sich selbst als Ziel hat, wird sich verfehlen. Wer sich aber aufgibt für mich, der wird sich selbst finden. Was nützt es, wenn einem die ganze Welt zu Füßen liegt, man aber mit seinem Herzen dafür büßen muss? Was hat der Mensch Kostbareres als sein Herz?“
Vielleicht wird diese Ev-Stelle jetzt verständlicher: Ja, wenn es Christus nicht gäbe, dann wären Leiden und Schande, Verzicht auf Selbstverwirklichung und Anerkennung wirklich Anti-Werte. Dann wäre der normale Menschenverstand wirklich gesund. Denn nicht das Leiden an sich ist heilig und gut, sondern das Leiden derer, die zu Gott gehören. Nicht der Verzicht auf die Lebensinstinkte ist an sich gut, sondern der Verzicht auf das gottlose Ausleben dieser Instinkte, die keinen Himmel über sich kennen.
Es geht also darum, unseren Lebenstrieb dem Gebot Gottes zu unterstellen. Das klingt so streng: Unterstell dich dem Gebot Gottes! Aber deinen Lebens-Trieb Gott zu unterstellen, heißt, dass du einen neuen Lebens-Antrieb wählst: Das ist der Heilige Geist.
Nochmals gefragt:
- Was treibt dich an? Der Trieb der Gier und Maßlosigkeit, des Zorns und des Begehrens, des Stolzes und der Feigheit?
- Oder der Geist der Freiheit: Der Geist, der dich befreit und dich gerecht handeln lässt und klug, mit Maß und Großmut!
Wer als Getaufter Ja sagt zum Heiligen Geist als seinem inneren Antrieb, der wie Jesus handelt und Jesus ähnlich handelt, der kommt durchs Wegschenken und Hergeben zum Ziel, durchs Sich-Verschenken an die Anderen, durchs Aushalten von Kreuz und Ertragen von Leid, und manchmal auch durch das Tragen der Schande.
Sag und bete: „Gott, ich will dir gehören, Jesus, dir leb und sterb ich. Heiliger Geist erfülle mich mit deiner Trieb- und Lebenskraft.“ Amen.
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