Pater Lorenz Voith CSsR, Marienpfarre-Redemptoristen, Wien-Hernals
Viele von uns kennen den Spruch aus dem Volksmund: „Kinder und Narren sagen die Wahrheit“. Manche aus diesen Personengruppen sagen „was sie sich denken“. In einer Offenheit, manchmal auch in einer Naivität, welche entwaffnet sein kann.
In fürstlichen Höfen war es bis ins 18. Jahrhundert üblich, dass sich ein sog. „Hofnarr“ in der Nähe der Herrscher aufhielt. Dieser hatte die sog. „Narrenfreiheit“, wenn er sich bei Treffen äußerte, ja sogar die Könige und Fürsten selbst auf die „Schaufel“ nahm, oder Missstände ansprach. Das konnte manchmal auch gefährlich werden.
Heute kennen wir die Faschingssitzungen, wo von sog. „Narren“ dann Reden gehalten werden, die im normalen Leben nicht möglich sind: Die „Narrenfreiheit“; und alle amüsieren sich, auch die, die direkt angesprochen und gemeint sind, bzw. entlarvt werden.
Auch Propheten des Alten Bundes waren teilweise solche Persönlichkeiten, die mit offenen Worten Missstände, Ungerechtigkeiten, sowie falsche religiöse oder politische Entscheidungen anprangerten. Auch im Wissen, dass eine solche freie Rede gefährlich werden konnte. Die Wahrheit unverblümt auszusprechen, war schon immer mit einem Risiko verbunden. Denken wir an Johannes den Täufer. Seine Vorhaltungen gegenüber dem König Herodes: Letztlich kostete ihm dieses offene Wort den „Kopf“.
„Kinder und Narren sagen die Wahrheit“. Natürlich immer mit dem Zusatz eines „Anführungszeichens“. Die Grenzen zwischen Anstand, zwischen „Wahrheit“, Offenheit und Beleidigung, sind nicht zu verkennen. Können wir immer den „Anderen“ die „Wahrheit ins Gesicht“ sagen? Sind wir auch uns selbst gegenüber ehrlich und muten uns auch zu, die „Wahrheit“ zu sagen, oder „selbstkritisch“ zu sein; auch mit einem „Lächeln“, wenn so vieles doch nicht so passt. Und: Was ist schon „Wahrheit“- letztlich?
Heute im Evangelium wird Jesus auch von einem Menschen konfrontiert, der die „Wahrheit“ über ihn hinausschreit. Er ist von einem „unreinen Geist“ besetzt, so die Interpretation der damaligen Zeit. Jesus befiehlt diesem Menschen zu schweigen. Den Hinweis, dass Jesus der „Heilige Gottes“ sei, wollte der Herr nicht stehen lassen. Er befiehlt ihm also zu schweigen. Und so geschah es. Zugleich heilte er diesen Mann, …
Ganz abgesehen davon, an welchem Zustand oder an welcher Krankheit der junge Mann litt, dem Evangelisten ging es nicht darum, ein Wunder zu beschreiben, sondern Jesus selbst in den Mittelpunkt dieser Erzählung zu heben. Jesus wollte einfach – noch – nicht, dass die Leute ihn als Messias erkannten. „Die Zeit war noch nicht reif“. Jesus verkündete die „Frohe Botschaft“ vom Kommen des Reiches Gottes. Er war am Beginn seines Wirkens. Er hatte dabei aber schon eine „Vollmacht“, die ihn auch zu Heilungswundern befähigte.
„Ich weiß, du bist der Heilige Gottes“, so der Zuruf inmitten der Menge: Eine letztlich wahre Aussage!
Möge diese Wahrheit auch uns in der Beziehung zum Herrn festigen und zu Jüngerinnen und Jünger wachsen lassen.
Behalten wir uns als Jünger und Jüngerinnen Jesu auch immer einen kleinen oder größeren Teil an innerer Freiheit! Wagen wir es, immer wieder auch offen Missstände, oder Ungerechtigkeiten anzusprechen und dagegen aufzutreten. Nicht im Sinne eines immerwährenden Kommentierens oder Kritisierens heraus, eines „Raunzens“ in der „Alt-Wiener Art“. Nein.
Melden wir uns, dann wenn es wichtig wird. Auch in die aktuelle Zeit hinein. In der Frage der Verhältnismäßigkeit von Entscheidungen in der gegenwärtigen Pandemie, in politischen oder gesellschaftlichen Fragen. Wo es um Menschen geht, nicht um Paragraphen, wo es um „Zivilcourage“ geht, nicht um eine Angepasstheit, im Sinne eines alten Obrigkeitsdenkens.
Halten wir die „Augen offen“ – in der kleinen und großen Welt!
Bedenken wir immer die Aussage aus der Heiligen Schrift: „Die Wahrheit wird euch freimachen“! Wer Jesus als den HERRN erkennt, wird von IHM auch hineingenommen in eine Verheißung, die nicht enden wird. Damit werden wir auch befähigt, offen im Sinne der Frohen Botschaft zu reden und zu handeln.
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