Boris Porsch
Der Karfreitag ist der Tag, der an das Leiden, die Kreuzigung und den Tod Jesu erinnert. Wir alle sind eingeladen, unseren Heiland und Erlöser auf seinem Weg zum Berg des Kreuzes zu begleiten.
Die liturgische Antiphon, die diesen Tag kennzeichnet, lautet: „Christus war für uns gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ Dieses Wort aus dem Brief des hl. Paulus an die Philipper klingt für uns heute vielleicht etwas fremd. Vielleicht sogar abstoßend oder beängstigend. Den Tod Jesu am Kreuz aus der Perspektive des Gehorsams zu betrachten, kann sehr herausfordernd sein. Es taucht die Frage auf, ob Gott wirklich diesen Gehorsam wollte. Wir Christen sind berufen, dem Herrn in seinem Gehorsam nachzufolgen. Doch was bedeutet dieser Gehorsam eigentlich?
„Jesus kam, nicht um seinen Willen zu tun, sondern den des Vaters (vgl. Joh 6,38). Vom Geiste der Liebe geleitet, erkannte und erfüllte er diesen Willen in den konkreten Umständen des Lebens: daheim in Nazareth, inmitten der Jünger wie einer, der diente (vgl. Lk 22,27), in seinem Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,8). Er erlöste die Welt durch Gehorsam.“ Steht es in einem Konzilsdokument.
Gehorsam aus Liebe ist Grundform christlichen Lebens und Dienens! Und damit eröffnet sich eine Perspektive, die besonders heute vielen nicht unbedingt schmeckt. Wer will heute schon gehorsam sein – in einer Welt, in der wir sowieso schon in einem System eingepfercht sind, das uns so viel abverlangt? Da scheint doch die Perspektive der „Selbst.Verwirklichung“ in jeder freien Minute unserer Frei-Zeit viel wichtiger.
Gehorsam aus Liebe ist Grundform christlichen Lebens und Dienens!
Man muß dabei aber unterscheiden:
Es gibt zwei Formen von Gehorsam:
a) Gehorsam aus Zwang, erzwungener, unfreiwilliger Gehorsam der Sklaven und Arbeiter, die mitunter den Menschen demütigt, verletzt und ihn seiner Würde beraubt.
b) Gehorsam aus Liebe, freiwilliger Gehorsam der Kinder Gottes, der den Menschen frei macht, heilt und ihm seine Würde zurückgibt. Dieser „Gehorsam aus Liebe“, den Jesus uns vorgelebt hat, galt zuallererst Gott und seinem Plan der Liebe und des Heiles gegenüber den Menschen.
„Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat,“ lesen wir bei Johannes 3, 16. Auf diesem Weg des „Gehorsams aus Liebe“ befanden sich auch Leiden, Kreuz und Tod. Wollte es Gott wirklich so? War das Kreuz Gottes Wille?
Da Gott die Freiheit der Menschen respektiert, respektierte er auch das Urteil von Pilatus, der, herausgefordert durch den Schrei: „Weg mit ihm, kreuzige ihn!“, Jesus auslieferte, damit er gekreuzigt würde. (vgl. Joh 19,15-16) Doch gerade in diesem grausamen Ereignis ist etwas Erstaunliches passiert. Das Leiden und der Tod, die durch den Ungehorsam Adams auf die Welt gekommen und zum Fluch für die Menschen geworden sind, sind durch den Gehorsam Christi in Segen und Heil verwandelt worden. Gott hat nämlich durch die Auferweckung Jesu von den Toten, das Kreuz, das „Holz des Todes“, in den „Baum des Lebens“ verwandelt.
„Gehorsam aus Liebe“ kann man auch „Treue“ nennen. 1996 wurden sieben Trappistenmönche in Tibhirine/Algerien entführt und ermordet. Sie wussten schon vorher, dass ihr christlicher Glaube sie in große Gefahr bringen kann. Man legte ihnen nahe, das Kloster zu verlassen. Die Mönche diskutierten, zweifelten, kämpften mit sich und ihrer Angst – und entschieden, dass sie bleiben müssten und wollten, um den Menschen vor Ort ihre Liebe, Treue und Unterstützung zu beweisen. Es war ihre Treue zur inneren Stimme, die sie als Stimme Gottes erkannten und die sie einlud, in dieser Situation den Menschen nahe zu blieben. Ihr „Gehorsam aus Liebe“ war nicht ihre Schwäche, sondern ihre Stärke. Wenn wir heute die Worte hören: „Durch seine Wunden sind wir geheilt“, dann können wir sie auch so deuten: durch seinen Gehorsam, durch seine Treue zum Bund der Liebe, durch seine Treu zu uns sind wir geheilt.
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