Brief an die Gemeinden im Pfarrverband und Entwicklungsraum

p. Adr. Pfarre Kalvarienbergkirche
St.-Bartholomäus-Platz 3 · 1170 Wien
Tel. (01) 406 89 45-0, Fax -22 Mail: kanzlei@kalvarienbergkirche.at

Liebe Christinnen, liebe Christen von Hernals!

Wir sind in der Osterzeit, wir erleben „fünfzig selige Tage“ bis zum Pfingstfest. In dieser Zeit sind wir aufgerufen, uns in das österliche Geheimnis zu vertiefen: Der Auferstandene möge in Ihre Mitte treten und Ihnen aus seinem überirdischen Reichtum zuteil werden lassen, was Sie für Ihr Leben, für Ihren Alltag brauchen! Christus der Auferstandene ist mit Ihnen! Er wird Sie durch alle Zeiten und Fährnisse tragen.

Momentan können wir einander leider nicht sehen, da auch das kirchliche Leben reduziert ist – mit dem Aussetzen der Eucharistiefeier sogar unter das Nötigste, wenn man es genau nimmt. So schwierig, so herausfordernd die gegenwärtige Zeit auch sein mag: In ihrer Eigenart lässt sie die Konzentration auf das Wesentliche vielleicht besser gelingen als eine Zeit vor ihr. Wir können etwa versuchen, an das Geheimnis der Auferstehung uns heranzutasten und uns eindringlich fragen: Welche Bedeutung hat dieses Glaubensgeheimnis für mich persönlich? Lebe ich aus ihm?

Zurzeit telefoniere ich viel, besonders mit älteren Menschen aus unserer Pfarrgemeinde. Gerade sie leiden darunter, dass sie ihre Bekannten nicht treffen oder dass ihre Enkel sie nicht besuchen können. Die andere, erfreuliche Seite der Medaille ist, dass ich noch von niemandem gehört habe, er sei unversorgt. Offenbar ist doch mehr an gutem Geist in den Häusern vorhanden, als vor der Krise sichtbar gewesen ist. Jedenfalls spüren wir alle, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind.

Wissen Sie, ich frage mich oft: Wie konnte es zu dem Schlamassel kommen, in dem wir jetzt alle sitzen? Unsere Medizin ist so hoch entwickelt, gegen alle möglichen Leiden gibt es Mittel verschiedenster Art. Und dann kommt ein winziger Virus und legt die Gesellschaften auf allen Erdteilen lahm, je wirtschaftlich entwickelter umso stärker gelähmt. Hat das Hervorkommen dieses Virus und seine rasante Ausbreitung auch etwas mit dem Klimawandel zu tun? Mit unserem Lebensstil? Ich glaube, da müssen wir uns viele ernste Fragen stellen.

Zum Beispiel bin ich im letzten Jahr zum Weihejubiläum von Bischof Banzi nach Tansania geflogen. Für den Flug hin und zurück habe ich 435 Euro bezahlt. Natürlich habe ich die billigen Tickets gerne genommen, aber: Kann dieser Preis denn tatsächlich alle entstandenen Kosten, vom Ressourcenverbrauch bis zu den Klimaschäden, decken? – Gerade ertappe ich mich dabei, wie ich selber im Fahrwasser der Geldwirtschaft treibe. Denn abseits aller „Kosten“, die doch nur Zahlen im Koordinatensystem eines Wirtschaftssystems sind: Es bleibt realer Verbrauch, es bleibt reale Schädigung. Und wenn etwas verbraucht ist, fragt kein Nachkommender nach den dafür früher entstandenen „Kosten“, und wenn etwas geschädigt oder zerstört ist, interessiert es auch niemanden, ob früher jemand dafür die „Kosten getragen“ hat. Die „Übernahme von Kosten“ ist also eine Scheintröstung, eine Scheinsicherheit, und wenn wir solche Antworten akzeptieren, lassen wir uns in Wahrheit doch nur Sand in die Augen streuen und sehen dadurch die reale Wirklichkeit nicht mehr.

Ist die Zeit der Coronakrise schon herausfordernd, so wird die Zeit nach der Infektionswelle noch herausfordernder sein. Vielen – ich hoffe es – wird die Erkenntnis dämmern: Wir können nicht so weiterleben wie bisher. Es braucht Änderungen in unserem Verhalten gegenüber der Mitwelt – die am Ende doch nur unsere eigene ist. Wir haben die Erde – von der wir Christen bekennen, sie ist eine Schöpfung Gottes – nicht bloß „genutzt“, wie es im Wirtschaftsjargon heißt, sondern ausgenutzt und ausgesaugt, niedergetrampelt und ausgebeutet. Dass das so nicht mehr weitergehen kann, bekommen wir durch die Coronakrise eindrücklich vorgeführt.

Aber: Kopf hoch, liebe Christinnen und Christen von Hernals! Wir können alle notwendigen Änderungen unseres Lebens, des persönlichen wie des gemeinschaftlichen, mit Vertrauen in die Zukunft beginnen! Aus der Erfahrung des derzeitigen Umgangs miteinander – Abstand halten, Mund und Nase bedecken – ist zu schließen: Wir können es ja: zusammenhalten, aufeinander Rücksicht nehmen, unsere Lebensgewohnheiten ändern! Und deshalb kann es uns auch gelingen, die noch größeren Herausforderungen durch Ändern unserer Lebensweise bei gleichzeitiger Verbesserung unserer Lebensqualität zu bewältigen! Die Zukunft der Welt liegt in unseren Händen und unsere eigene in Gott!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine gesegnete Osterzeit. Ich freue mich, Sie hoffentlich bald wiederzusehen!

Ihr Pfarrer
Karl Engelmann

Wien, 20. April 2020

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