Boris Porsch
Die Sonntagslesungen, die wir heute gehört haben, klingen so gar nicht weihnachtlich, finde ich zumindest. Heute bekommen wir eher sperrige Lesungen vorgesetzt, die so gar nicht zusammenzuhängen scheinen. Aber bei genauerem Hinsehen tut sich dann doch etwas auf. Man könnte sagen, es wird uns eine dogmatische Sicht auf Weihnachten präsentiert, die sozusagen noch einmal vor dem großen Fest die Rechtfertigung des Evangeliums dient. Und dabei tun sich einige tiefe theologische Gedanken auf.
Wir hören von in der ersten Lesung von König David, dem Gott einmal mehr an seine Treue erinnert und sie ihm auch weiterhin zusagt.
„Ich bin überall mit dir gewesen, wohin du auch gegangen bist“
Es zeigt sich der unbedingte Wille Gottes, bei seinem Volk zu sein – für sein Volk da zu sein. Er hat mit Moses einen Bund geschlossen, und diesem Bund ist er auch weiterhin treu. Diese Treue sagt er an dieser Stelle seinem Volk zu. Die bedingungslose Güte Gottes besteht in seiner Treue zum geschlossenen Bund und eben darin, dass nicht der Mensch, sondern Gott selbst die Initiative ergreift und das Böse besiegt, weil die Menschen aus eigener Kraft nicht imstande sind, dem Bund wirklich treu zu sein. Die Schriftstellen der Propheten, die wir im ganzen Advent gehört haben, sind eine Ankündigung der Rettung, aber gleichzeitig auch ein tiefer Sehnsuchtsruf nach dem, der dies alles in Bundestreue vollbringen und das Volk von der Schwere seiner Last befreien könnte.
Benedikt der XVI. meint hierzu: „Diese seine Treue besteht darin, dass er nun nicht nur als Gott gegenüber den Menschen handelt, sondern auch als Mensch gegenüber Gott, und den Bund so unwiderruflich fest gründet.“
Und hier nähern wir uns schon dem Weihnachtsfest: Gott wurde Mensch, um den Bund als Mensch auf Seiten der Menschen zu erfüllen. Mit seiner Geburt begann die Menschwerdung Gottes und damit auch die endgültige Rettung des Menschen durch die Erfüllung des Bundes. Doch was sollte dieser Bund sein, den die alttestamentlichen Propheten so sehnlich herbeisehnten. Es ist kein Vertrag oder sonstiges rechtliches Konstrukt, sondern die Ermöglichung einer lebendigen Beziehung. Die unwiderrufliche, unzerstörbare Gemeinschaft mit Gott durch die Eingründung des Bundes im Herzen der Menschen, erwirkt durch den Gehorsam des Sohnes, der Gott vollständig treu war. Es war das Setzen eines neuen Bundes, einer erneuerten, lebendigen Beziehung: Gott war bis zum Äußersten bereit, um Israel zu befähigen, wieder in die ganze Fülle lebendiger Gemeinschaft mit ihm einzutreten – in seinem menschgewordenen Sohn, in dem sich das Sehnen und die lange Vorgeschichte Gottes mit seinem Volk vollendete. „Christus ist die Einheit von Gott und Mensch; deshalb ist er nicht nur ein mehr oder weniger vollkommener Stellvertreter des Bundes, sondern der Bund selbst. Er ist der Stellvertreter, der das ist, was er vertritt; und insofern ‚der neue Bund“, so der deutsche Theologe Karl-Heinz Menke.
Denken wir daran, wenn uns die weihnachtliche Konsumwelle zu erfassen droht: Weihnachten ist das Fest über den Beginn der Menschwerdung Gottes. Er selbst ist für uns dem Bund treu geblieben bis in den Tod, um sich selbst zu schenken, um uns in eine lebendige Beziehung mit ihm hineinzunehmen– auch heute schenkt er sich uns, schenkt er uns Beziehung in der Eucharistie. Warum er diesen Weg gewählt hat, sich uns in Brot und Wein zu schenken, kann niemand von uns beantworten, aber wir können dazu unser „ja“ sagen, uns von ihm beschenken zu lassen.
Auch wenn wir die Weihnachtsfeste heuer vielleicht in kleinerem Rahmen feiern müssen und nicht so viele Geschenke erwarten können, denken wir daran: Das größte Geschenk, das Geschenk unserer Rettung durch seine Menschwerdung wurde uns bereits gemacht.
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