6. Sonntag im Jahreskreis

P. Piotr Wojciechowski SSCC

Der Aussatz damals war eine schlimmere Krankheit. Aus­satz zerstörte den Menschen in seiner ganzen Existenz: leiblich, seelisch, so­zial und religiös. Die Haut war mit Geschwüren und Flecken bedeckt. Muskelschwäche und Lähmung verursachten unerträgliche Schmerzen. Die Glieder faulten und starben ab. Aussätzige waren leiblich und seelisch ein Wrack. Sie wurden aus der Familie und der Gemeinde ausgeschlossen. Sie durften sich nicht mehr in Dörfern und Städten aufhalten. Religiös waren sie exkommuniziert. Aussätzige galten als unrein, als Sünder. Man hatte sie ab­geschrieben. Sie waren so gut wie tot. Niemand durfte sie berühren. Der Kranke im Evangelium sagt nicht: „Wenn du willst, kannst du mich gesund machen“, son­dern: „Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde“. Und Jesus sagt: „Ich will es — werde rein“.

Dieser Unter­schied darf nicht übersehen werden. Hier handelt es sich nicht nur um ein kör­perliches, sondern auch um ein geistliches Gebrechen. Der Mann war kultisch unrein und musste deshalb aus der Gemeinde ausgeschlossen werden. Er gilt als Sünder. Die Heilung Jesu zielt nicht nur auf die Befreiung vom Aussatz, sondern auch auf die Rückführung des Ausgestoßenen in das Leben. Dass er ein Reinigungsopfer darbringen und sich den Priestern zeigen sollte, weist auf die Gemeinde hin.

Auf der einen Seite hat Jesus sich an das mosaische Gesetz gehalten, auf der anderen Seite geht er weit darüber hinaus und stellt die Ge­meinde unter das Gesetz der Barmherzigkeit. Der Kranke sollte mit Leib und Seele in ihr Heimat finden.

Diese Heilungserzählung ist eine zeitlose Geschich­te. Sie lädt damit den Zuhörer, sie lädt uns ein, den eigenen Platz in dieser Ge­schichte zu suchen. Vielleicht finde ich mich in dem Aussätzigen wieder, der Hilfe sucht, sich selbst, die eigene Lebenswirklichkeit, anzunehmen. Oder ich finde mich in dem Gegenüber, in Jesus, wieder, in dem, der einen anderen bei dem Ja zum eigenen Leben unterstützt. Es ist die Frage, ob uns Not und Elend Angst machen, entweder vor uns selbst oder vor anderen, so dass wir uns ab­grenzen müssten, um uns selbst zu schützen. Oder ob wir den Mut haben, auf unangenehme Lebenswirklichkeiten in uns selbst oder in anderen zuzugehen und die Berührungsangst zu überwinden.

In dem Wort Jesu: „Ich will!“ – sagt er dem Aussätzigen, sagt er uns heute zu: Du darfst leben! Auch mit all dem, womit du es an dir schwer hast. Du bist für mich rein! Das ist der Raum der Gnade, den Jesus von Gott herzeigt und immer wieder neu eröffnet. Es ist der Raum, der uns geschenkt ist und der uns zum Leben hilft. Unser Glaube an Jesus will uns zu einer guten Haltung befreien. Er hatte selbst gegenüber einem höchst ansteckenden Aussatzkranken keine Berührungs­ängste.

Ebenso kann und will er mir helfen, mich selbst auch mit meinen schwachen Seiten gern zu haben und um meine kranken Mitmenschen keinen großen Bogen zu machen. Er will mich ermutigen, Krankheit nicht auszu­blenden, sondern sie in mein Leben hereinzuholen. Und so bitten wir: Jesus, habe Mitleid mit mir, weil ich so oft vor meinen Schwächen und Krankheiten davonlaufen will. Habe Mitleid mit mir, weil mir meine kranken schwachen Mitmenschen so fern sind und vielleicht oft auf die Nerven gehen, weil ich nicht weiß, wie ich mit ihnen umgehen soll. Habe Mitleid mit mir, weil Krankheiten, Schwächen und Beschwerden keinen oder nur wenig Platz in mei­nem Lebensentwurf haben.

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