Palmsonntag

Boris Porsch

Im Jänner letzten Jahres durfte ich an der diözesanen Bildungsreise auf die Philippinen teilnehmen. Das Land besteht aus mehr als 1700 Inseln. Das sind ganz eigene Herausforderungen für die Pastoral, denn nicht jede Gemeinde kann dort mit einem eigenen Pfarrer versorgt werden. Oft kommt Priester nur alle 1-2 Monate vorbei. Wir besuchten Zuckerrohrplantagen im Landesinneren und Seetangfarmen an der Küste. Ein Highlight dieser Reise war sicherlich der Besuch einer Gemeinde auf einer sehr kleinen Insel, die schon etwas abgelegener war. Wir verbrachten dort einen unvergesslichen Tag.

Ein sehr wichtiger Bestandteil in der Pastoral dieser Gemeinden lag auf der Bibelarbeit. An einem bestimmten Tag unserer Reise beschäftigten wir uns mit den sogenannten Bibliodrama. Es wurde das Evangelium gelesen, das wir bei der Palmsonntagsprozession hören: Jesu Einzug in Jerusalem

Vor uns lagen kleine Puppen in allen Farben und Grössen, und jeder von uns sollte sich eine Puppe aussuchen. Danach meditierten wir Jesu Einzug in Jerusalem.

  • Wie sah es dort aus? Welche Gerüche lagen in der Luft?
  • Welche Menschen kamen dort zusammen?
  • Und letztendlich wurde es persönlicher:
  • Welchen Menschen aus dieser Menge stellt meine Puppe dar?

Was ist der Antrieb der Person, die meine Puppe darstellen sollte, zum Einzug Jesu zu kommen? Einzustimmen in die Hosanna-Rufe und ihm zuzujubeln? Was waren die Gedanken, die die Menschen hatten, die damals zusammenkamen?

  • Sind sie nur aus reiner Neugier gekommen?
  • Oder einfach nur, weil sie wissen wollten, was diese Ansammlung verursacht?

Was ist da los?

  • Oder waren es Händler und Geschäftemacher, die der Menschenmenge das schnelle Geld witterten und sind herbeigeeilt, um gute Geschäfte abzuschließen.
  • Es könnte auch sein, dass sich Pharisäer unter die Menge gemischt haben, nur gekommen, um etwas zu finden, um ihn anzuklagen.
  • Vielleicht habe manche schon von den Wundern gehört, die Jesus gewirkt hat und wollten sehen, wer dieser Mensch war, von dem zu der Zeit so viele erzählten…
  • Oder sind ihm manche sogar schon einmal persönlich begegnet, ist ihnen schon einmal über den Weg gelaufen? Hat er schon ein Wunder in ihrem Leben bewirkt?
  • Vielleicht auh jene, die von ihm berührt und geheilt wurden?
  • Oder auch Zeugen eines solchen Wunders, die insgeheim ersehnen, selbst geheilt zu werden?

Es war spannend, über die verschiedenen Beweggründe nachzudenken, warum diese Menschen an diesem bestimmten Tag in Jerusalem zusammenkamen, um Jesus zu huldigen.

-> und es war spannend, darüber nachzudenken, was der Antrieb meiner Figur in dieser Darstellung der Szene war.

Das Überlegen über diese kleine Figur, die ich da in der Hand hatte brachte mich zum Nachdenken über meine eigenen Beweggründe, wer ich denn in dieser Menge sei, die Jesus zujubelt.

Und diese Frage, denke ich, können wir uns an diesem Palmsonntag eigentlich alle ganz konkret stellen.

  • Warum bin ich eigentlich hier? Heute? In der Kirche?
  • Was sind eigentlich meine Beweggründe, Christ zu sein?

-> Fasziniert mich die Liturgie? Das Brauchtum? Die Tradition?
-> Inspiriert mich die christliche Lebensart?
-> Suche ich Gott in meinem Leben?
-> Suche ich Jesus Christus?

  • Habe ich ihn schon gefunden?

Joseph Ratzinger hat einmal gesagt: „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt“. Jeder hat seine ganz eigene Geschichte mit Gott.

An welchem Punkt in unserem Leben ist uns Jesus Christus schon einmal begegnet? Was hat er in meinem konkreten Leben gewirkt? Ich möchte Sie einladen, heute in einer stillen Minute ehrlich darüber nachzudenken: Warum bin ich heute hier? Was ist meine Motivation, in der Kirche in sein Lob einzustimmen? Ganz egal, ob ihre Antwort „positiv“ oder „negativ“ ausfällt, es gibt dabei kein „richtig“ oder „falsch“. Unsere Motivation und Beweggründe zu benennen und von Zeit zu Zeit zu reflektieren, kann uns aber helfen, die Tragweite unserer Entscheidungen und unseres Handelns klarer zu sehen und uns dann auch aus dem Glauben heraus bewußter dazu zu verhalten.

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