Pfarrvikar Pater Piotr Wojciechowski sscc
Sturm am See Gennesaret am Abend passiert ziemlich häufiger. Wenn es sich abkühlt, fallen unvermittelt Winde von den umliegenden Bergen herab und führen dazu, dass die glatte Oberfläche des Sees sich kräuselt und es ziemlich ungemütlich werden kann. Im Evangelium hören wir, dass die Wellen sogar in das Boot schlugen, das sich das Boot mit Wasser zu füllen begann. Da wurde es selbst den Jüngern, unter denen ganz erfahrene Fischersleute waren, Angst verbreitet.
Die Jünger weckten Jesus und machten ihm in ihrer Not sogar noch Vorwürfe: „Wie kannst du schlafen, während wir hier fast untergehen“? Die Seefahrt mit dem Schiff heutzutage meistens verspricht Erholung und Stille. Aber plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm, und die Wellen schlugen in das Boot, plötzlich befinden sich die Reisenden in Gefahr, vielleicht sogar in Lebensgefahr. Wie schnell kann das passieren, auch in der Ferienzeit, die jetzt wieder beginnt: Du bist mit dem Auto unterwegs. Es regnet: Aquaplaning. Du sitzt im Flugzeug. Keine besonderen Vorkommnisse, bis die Maschine plötzlich in Turbulenzen gerät und kräftig durchgeschüttelt wird. Du machst eine Bergtour. Strahlend blauer Himmel, Sonnenschein. Ein Gewitter zieht auf. Du kannst dich nicht schnell genug in Sicherheit bringen und fühlst dich den Naturgewalten hilflos ausgeliefert.
Wir können die Junger im Boot verstehen, ihre Sorge, ihre Angst, ihren verzweifelten Weckruf: „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen“? Sie spüren: Wir sind mit unseren Kräften am Ende. Vielleicht hatten sie eine Zeit lang versucht, als erfahrene Seeleute die Notlage in eigener Regie zu meistern und sich über Wasser zu halten. Doch vergeblich. Sie spüren: Hier haben wir nicht nur mit Naturgewalten zu kämpfen, sondern mit dämonischen Mächten, die sich gegen alles Friedliche, alles Heilige, ja die sich gegen den Heiligen auflehnen. Sie spüren Angst. Sie, die sich zuversichtlich mit Jesus auf den Weg gemacht hatten, verlieren angesichts drohender Gefahren das Vertrauen. Aber sie tun dann in ihrer Verzweiflung das einzig Richtige: Sie rufen Jesus um Hilfe, gewissermaßen in einem Stoßgebet. Und sie werden von ihm gehört und erhört. Aber sie müssen sich von Jesus tadeln lassen: „Hebt ihr noch keinen Glauben“?
Kennen wir nicht solche Augenblicke auch in unserem Leben? Wo uns die Angst überschwemmt und wir fast ertrinken? Etwa, wenn uns ein geliebter Mensch durch den Tod genommen wird. Oder wenn uns eine Krankheit schlägt, deren Ausgang ungewiss ist. Oder der Verlust des Arbeitsplatzes ohne Aussicht auf eine neue Stelle. Oder ein Berg von Problemen liegt vor dir: Wie sollst du sie bewältigen? Hast du das Gefühl, von Gott und der Welt verlassen zu sein. Alles Beten scheint vergeblich zu sein. Wer bietet Halt? Da sagt uns Markus in seinem Evangelium: Schaut mit den Jüngern auf Jesus, er inmitten des tödlichen Sturms in der Geborgenheit Gottes ruhig schläftt. Er ist fest in dem verankert, den er in kindlichem Vertrauen seinen „Abba“, seinen „Vater“ nennt. Jesus hat sich seinem Vater ausgeliefert und vertraut ihm. So menschlich Jesus auch dargestellt wird er schläft auf einem Kissen, so herrscherlich zeigt er sich in der Auseinandersetzung mit den Chaosmächten: Er ist der, in dem und durch den Gott wirkt. Doch wie schwer fällt es den Jüngern, zu diesem Glauben zu kommen. Waren sie nicht schon so lange mit Jesus zusammen? Hatten sie nicht schon so viel Erstaunliches mit ihm erlebt? Hatten seine Worte sie noch nicht überzeugt? „Habt ihr noch keinen Glauben“?
Wie schwer ist es doch, sich im alltäglichen Leben auf Jesus wirklich einzulassen und mit seinen Augen sehen zu lernen! Nehmen wir die Erzählung vom Sturm auf dem See als ein Hoffnungsbild, dass Gott mitten in der Not Rettung zu schaffen vermag. Wenn wir uns an diesem Gott festhalten, haben wir nicht weniger mit Ängsten zu kämpfen als andere. Wir werden genauso von den Stürmen des Lebens bedrängt. Aber wir erhalten Abwehrkräfte gegen die Verzweiflung. Gott lässt uns nicht untergehen. Ein solches Vertrauen ist möglich. Das haben uns zahllose Christen im Lauf der Kirchengeschichte vorgelebt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Johannes XXIII. Er meinte einmal schmunzelnd: „Ich höre immer wieder, wie sich die Leute wegen all der Unruhe in der Kirche um meinen Schlaf sorgen. Ich darf ihnen sagen: Der Papst schläft gut“. Johannes konnte gelassen schlafen, weil er sich in Gott geborgen wusste.
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