Stille nicht dem Zufall überlassen

Um neue Kraft zu schöpfen, braucht es zweierlei: Loslassen des Vergangenen und einfaches Da-Sein. Loslassen des Vergangenen bedeutet, noch kurz zu reflektieren und Erfahrungen ins Leben integrieren, dann aber hinter sich zu lassen, also in Gedanken nicht mehr anzuschauen. Einfaches  Dasein bedeutet, auf sich selbst zu hören, seine Sinne zu schärfen und bei sich zu sein. Es bedeutet zu sehen und zu erkennen, was jetzt auf einen zukommt.

Ruhe schenkt Erholung. Sie wirkt dem negativen Stress des Alltags entgegen und lässt die eigene Energie zu Tage treten. Ruhe suchen bedeutet Abschalten: vom Abschalten des Handys bis zum inneren Abschalten. Hilfreich in einer solchen Zeit ist die Meditation, in der man sich der Stille aussetzt und in sich und in die Stille hineinhorcht. In einer Welt, die erfüllt ist von Lärm – von hörbarem genauso wie von jeder Art medialem Lärm –, stellt eine natürliche Stille eine willkommene Erleichterung dar. Eine Zeit der Stille kann man nicht dem Zufall überlassen, die muss man sich ernsthaft vornehmen.

Zeiten der Ruhe soll man freilich nicht nur im Urlaub suchen. Es braucht sie auch im Alltag des Jahres. Und da staune ich immer wieder: Hier in Wien stehen diese Kirchen herum, und rundherum eine Hektik und Leute, die nervös und vielleicht sogar aggressiv sind. Warum nutzen wir nicht einen kurzen Augenblick und gehen in eine Kirche hinein, sind einfach da, wie in einem geschützten Raum und wie in einer Stille? Weil Erneuerung, Kräftigung des persönlichen Lebens kann nur Fuß fassen und den Menschen wirklich verändern, wenn er ihr Raum gibt.

Es braucht auch eine Erholung der Sinne, dass ich besser hinhören kann, dass meine Augen wieder klarer sehen, dass ich meine Wahrnehmung, meine Empfindung läutere, und dass ich dann auch beginnen kann, nach innen zu schauen. Wenn ich keinen Raum des Schweigens und der Stille habe, sind meine Sinne so stark nach außen gerissen, dass mein Leben ohne Tiefe und Kraft bleibt.

Seien Sie großherzig und großzügig sich selbst gegenüber und gönnen Sie sich hinlänglich Zeiten der Ruhe und Stille!

Karl Engelmann, Dechant

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