Wenn unsere Gesellschaft eines nicht kann, dann warten. Alles muss sofort zur Verfügung stehen und jeder Wunsch gleich erfüllt werden. Wir werden rasch ungeduldig bis ungehalten, wenn wir auf etwas warten müssen. Beim Schlange stehen beim Einkauf ruft bald jemand: „Eine neue Kassa bitte“. Viele Autofahrer, die im Stau „stop and go“ fahren, wechseln ständig die Fahrbahn um vielleicht doch ein wenig schneller ans Ziel zu kommen. Und wir verlieren rasch die Nerven, wenn jemand vor uns am Geld- oder Ticketautomaten länger braucht, wenn wir es wieder einmal eilig haben.
Doch auf Weihnachten müssen wir jedes Jahr bis zum Abend des 24. Dezembers warten. Besonders den Kindern fällt das schwer. Sie zählen, wie oft sie noch schlafen gehen müssen bis das Christkind kommt. Wir Erwachsene machen uns die Sache häufig einfach. Wir essen die Kekse und trinken den Glühwein schon vorher – auf gleich mehreren Betriebs-, Hobby- und Clubweihnachtsfeiern. Selbst die Geschenke werden mancherorts gleich bei der Übergabe geöffnet. Am Weihnachtsabend selber sind wir der vielen Süßigkeiten und freundlichen Aufmerksamkeiten oft schon überdrüssig.
Dabei ist der Advent eigentlich eine Zeit der Vorbereitung und des Verzichts, damit wir uns über die Ankunft unseres Heilands besonders freuen können. In meiner Kindheit haben wir jeden Abend um den Adventkranz gesessen, Adventlieder gesungen und biblische Geschichten gehört. Ich habe dies auch mit meinen Kindern so gehalten. Da hat das Warten dann eine eigene Qualität und ist nicht einfach die Vorwegnahme von Weihnachten.
Wissen Sie übrigens wie der Adventkranz erfunden wurde? Der evangelische Pfarrer und Pädagoge Johann Hinrich Wichern leitete im 19. Jahrhundert das „Rauhe Haus“ in Hamburg. Dort hat er armen und verwahrlosten Kindern eine Berufsausbildung ermöglicht und so ein Leben auf der Straße erspart. Das „Rauhe Haus“ war eine Art Rettungsdorf, in dem die Kinder nach dem Familienprinzip in Wohngruppen lebten.
Weil die Kinder von Pfarrer Wichern wissen wollten, wie lange es noch bis Weihnachten dauert, hatte der Theologe und Erzieher eine geniale Idee. Er nahm ein Wagenrad und stellte darauf vier große, weiße Kerzen – für jeden Adventsonntag eine – und dazwischen je sechs kleine, rote Kerzen – für jeden Wochentag. Auf das Rad hat er dann Tannenzweige und Reisig gelegt. Der erste Adventkranz mit ganz vielen Kerzen war erfunden! Später entwickelte sich aus dem ursprünglichen „Wichernkranz“ ein Kranz mit nur vier Kerzen. Seit dem Jahr 1860 etwa wird der Adventkranz aus einem Ring von Tannenzweigen gefertigt. Knapp hundert Jahre nach seiner Erfindung wurde 1925 erstmals ein Adventkranz in einer katholischen Kirche aufgehängt. Seither schmückt er viele evangelische und römisch-katholische Kirchen und Wohnungen und erinnert uns daran, dass wir gemeinsamen auf das Kommen unseres Heilands warten. Und wer immer eine Kerze am Adventkranz anzündet, zeigt damit, dass Warten eine Übung ist, die sich lohnt!
Von Pfarrerin Mag. Barbara Heyse-Schaefer,
evangelische Pfarre Währing-Hernals