Dieses ursprünglich zweistrophige kirchliche Weihnachtslied ist im 16. Jhdt. entstanden. Sein Text bezieht sich auf eine Stelle aus dem Alten Testament im Buch des Propheten Jesaja. Der 1. Vers des 11. Kapitels lautet in der Einheitsübersetzung: „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, / ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.“
Die Melodie zum Text findet sich im Speyerer Gesangbuch, gedruckt in Köln 1599 (Abb. 1). Die populäre Textfassung der zweiten Strophe schuf der protestantische Komponist Michael Praetorius, der einen weitverbreiteten vierstimmigen Chorsatz zu dem Lied verfasste, im Jahre 1609.
Die unterschiedlichen Varianten der zweiten Strophe lassen konfessionelle Differenzen zur Person Marias erkennen. Im katholischen Urtext wird das Gleichnis der ersten Strophe in der zweiten so aufgelöst, dass Jesse die Wurzel ist, Maria der Rosenstock aus der Wurzel und ihr Kind das „Blümlein“. Die rhetorische Doppelung des Jesajaworts wird im Lied also auf das Reis (Maria) und die daraus knospende Blüte (Jesus) gedeutet.
In der katholischen Variante wird im Rahmen der Marienverehrung – verglichen mit der protestantischen Fassung – besondere Betonung auf die jungfräuliche Geburt gelegt („und blieb ein reine Magd“).
In der protestantischen Fassung weicht die Betonung der fortwährenden Jungfräulichkeit Mariens einer stärkeren Bezugnahme auf Jesus. Der katholische Text (Gotteslob alt Nr. 132) bleibt bei der Aussage des Urtextes, bietet aber zusätzlich eine ökumenische Lesart (Gotteslob alt Nr. 133). Die doppelte Deutung von „Röslein“ und „Blümlein“ ist auch hier beibehalten; nur die Schlusszeile „und blieb ein reine Magd“ ist ersetzt durch „welches uns selig macht“. In dem am 1. Adventssonntag 2013 eingeführten neuen Gotteslob ist unter Nummer 243 nur noch die katholische Textversion abgedruckt.
Die 3. Strophe des Liedtextes stammt von dem protestantischen Pfarrer Friedrich Layriz (1808–1859) aus dem Jahr 1844.
Passend zum Fest Erscheinung des Herrn findet sich dieselbe Melodie mit einem Text des aus St. Pölten stammenden katholischen Priesters und Dichters Karl Borromäus Frank (1894-1961), das wir im Gotteslob neu unter Nr. 811 finden.
Dieses Weihnachtslied, an dessen Entstehung und Form, Text und Musik Menschen katholischen und protestantischen Glaubens beteiligt waren, passt somit gut in das Liedgut der Pfarren des Dekanates Hernals, da Hernals ja im 16. und beginnenden 17. Jhdt. Zentrum des protestantischen Glaubens war und sich nach der Verurteilung undEnteignung des letzten protestantischen Lehnsherrn Helmhard von Jörger 1627 im Zuge der Gegenreformation wieder der katholischen Kirche zuwendete.
Dass heutzutage „Es ist ein Ros entsprungen“ sowohl in unseren katholischen Kirchen als auch in der evangelischen Kirche in der Martinstraße seinen festen Platz im Liedschatz der Weihnachtszeit hat, ist Zeichen für das gute Einvernehmen der beiden Konfessionen im Sinn der Ökumene.
Dass im dritten Takt urplötzlich ein Quintenparallele auftaucht, war vermutlich nicht vorgesehen. Auf den C- Akkord folgt d-Moll mit der Quint. Das müßte man meiner Meinung nach mit f+a überbrücken. Also: C-g-e-c zu d-f-f-a.