Ein Heiliger für das 21. Jahrhundert

Als Giovanni Bernardone geboren wurde (1181 oder 1182), weilte sein Vater, ein reicher Tuchhändler aus Assisi, geschäftlich in Frankreich. Bei seiner Rückkehr nannte er sein Kind Francesco (kleiner Franzose). Damals war die Welt im Umbruch. Viele Dörfer wurden neu gegründet, in Italien erstarkten die Städte, die sich zu Stadtstaaten weiterentwickelten. Das Rechenbrett wurde durch das schriftliche Rechnen mit den „arabischen“ Ziffern verdrängt, das Bankenwesen etablierte sich. In Italien wehte bereits ein Hauch von Renaissance.

Das auf Stein gemalte Fresko des hl. Franziskus in der Minoritenkirche stammt aus der Wende des 15. zum 16. Jhdt.

Zwei seiner Mitbrüder verfassten zeitnah die Lebensgeschichte des hl. Franziskus, aus der auch bildende Künstler wie Giotto, Cimabue und andere schöpften. Die Kindheit verbrachte Franziskus sorglos, ging zur Schule und konnte als Jugendlicher seine Freunde großzügig aushalten. Er wollte ursprünglich Ritter werden, musste aber von seinem Vater bei einer Auseinandersetzung zwischen Perugia und Assisi – bei der Assisi unterlag und Franz gefangengenommen wurde – freigekauft werden. Seine Ritterpläne auf einem Kriegszug in Apulien zerschlugen sich, und in einer Vision entschied er sich für den „Herrn“. Wie sehr er sich wörtlich an das Wort Gottes hielt, zeigt unter anderem in der Aussendung der Apostel mit nur einem Stab, ohne Geld, ohne Brot, keinem zweiten Gewand und nur in Sandalen: Daran hielt er selbst sich auch. Solcherart wurde er als Ordensgründer, da sich andere ihm anschlossen, zu einem Wanderprediger. Bevor er wie ein Eremit lebte, versuchte er, mit dem Geld seines Vaters sowie durch Betteln Kirchen wiederherzurichten. Das missfiel seinem Vater, weil dieser hoffte, dass sein ältester Sohn seinen Tuchhandel übernehmen würde. Im Prozess, den der Vater anstrebte, gab Franziskus alle seine Kleider dem Vater zurück, entsagte so seinem Erbe und wurde vom Bischof, der diesen Prozess führte, als Nackter in seinen Mantel gehüllt. Die Bedingungslosigkeit, die Franziskus lebte, teilte er mit einer Kindlichkeit. So predigte er den Vögeln, sah in allen und allem Geschwister. Erst dann, wenn wir den Nächsten so lieben wie uns selbst – und da gehört nach dem Heiligen auch die ganze Umwelt dazu –, kann das Erlösungswerk Christi gelingen. Sein Versuch, den Sultan Al Kamil auf dem Kreuzzug zu Damiette zum Christentum zu bekehren, scheiterte. Im Orient erkrankte er an einem Augenleiden, das fast zur Erblindung führte.

In Zeiten, in denen besonders Wissenschaftler mit ihrem Gottesverständnis ihre liebe Not haben – wenn sie die Natur (von lat. natus = geboren) oder die Materie (von lat. Mater = Mutter) vor jeden Gedanken an einen Schöpfergott stellen –, erhält die Strophe aus dem Sonnengesang, mit dem Franziskus die Schwester Mutter Erde besingt, eine besondere Bedeutung: „Laudato si’, mi’ signore, per sora nostra matre terra, la quale ne sustenta et governa, et produce diversi fructi con coloriti flori et herba.“ – „Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt mit bunten Blumen und Kräutern.“ Sich zurückzunehmen und bedingungslos die Worte Christi auf sich wirken zu lassen, hat bei dem meditativen Mystiker Franz von Assisi dazu geführt, dass seine Brüder die Wundmale Christi an ihm sehen konnten. Mit kleinen Schritten hat Franz bis heute für unser Bewusstsein Großes bewirkt. Rücksichtnahme auf die Umwelt und Tiersegnungen sind auch für Fernerstehende mit seiner Persönlichkeit verbunden.

Clemens Eibner

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