Impulse von Pfarrer Karl Engelmann
Österliche Bußzeit 2020
„Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!“
Schon am Beginn der österlichen Bußzeit ruft uns der Prophet Joël zu: „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!“ Hier geht es nicht um eine liturgische Buße, sondern um die ganze Hinwendung zum barmherzigen Gott. Dieser Satz des Propheten Joël soll uns in dieser Fastenzeit leiten und begleiten.
Die österliche Bußzeit ist eine Zeit der Erneuerung und der Umkehr. Wobei Umkehr nicht als moralischer Begriff verstanden werden darf, sondern als Begriff der Hinwendung zum dreifaltigen Gott. Vergessen wir einmal die Moral und fragen wir uns, wie wir uns wirklich zu Gott hinwenden, wie wir zu einer Ich-Du-Beziehung gelangen können. Die Verwurzelung in Gott ist die entscheidende Säule des katholischen Christentums. Ohne diese Verwurzelung wird christliches Leben schwierig. Ich verweise hier auf das Glaubensseminar, das sich mit den drei göttlichen Tugenden beschäftigen wird.
Werfen wir einmal einen Blick auf unsere Pfarrgemeinden. Wir haben im Pfarrverband/Dekanat im Prinzip lebendige Pfarrgemeinden, in denen vieles geschieht. Aber ich frage: Sind es Pfarrgemeinden, die wirklich aus der Beziehung zum dreifaltigen Gott heraus leben und handeln? Wurde nicht in den letzten dreißig Jahren die Gemeindetheologie überhöht und dadurch die Gottesbeziehung vernachlässigt? Daher frage ich ganz unverblümt: Sind unsere Pfarrgemeinden noch erneuerungsfähig? Noch fähig zur Verkündigung nach außen, zur Mission? Ich glaube, das ist der Kern dessen, warum wir heute nicht mehr nach außen leuchten. Wir brauchen Erneuerung, wir brauchen Mission. Erneuerung kann aber nur heißen, dass wir uns immer mehr mit dem Glauben und vor allem mit Jesus Christus in der Kraft des Heiligen Geistes auseinandersetzen und uns von ihm leiten lassen.
Ich schreibe das, damit wir uns auf einen Erneuerungsweg machen. Österliche Bußzeit heißt Erneuerung, Hinkehr zum lebendigen Gott. Ich persönlich merke immer mehr, dass es eine solche Erneuerung braucht. Wenn wir einfach weitermachen wie bisher, werden all unsere Pfarrgemeinden in die Bedeutungslosigkeit abdriften, das kann man an den verschiedensten Merkmalen festmachen. Wir müssen gemeinsam wieder zu neuer Kraft kommen. Das geht aber nur, wenn wir uns dem lebendigen Gott verschreiben.
Die christliche Kirche ist auf dem Fundament Jesu Christi gebaut. Ohne die tiefe Erkenntnis dieses Fundamentes wird sie (bzw. wird die Pfarre) zu einem humanistischen Verein. Dies ist freilich nichts Schlechtes, aber es ist nicht die Berufung der Kirche. All unser Handeln muss sich auf das Fundament Jesu Christi zurückverfolgen lassen können. Daher rufe ich Sie alle auf, sich dieser Erneuerung zu stellen! Wir brauchen sie dringend, um auch wieder nach außen zu leuchten! Um auch wieder mehr bei jenen Menschen zu sein, die nicht kommen, aber die Sehnsucht nach Gott in sich spüren! Wir sind aufgerufen, diese Sehnsucht zu erkennen und auf sie zu antworten. Dass uns dies in dieser Fastenzeit gelingt, oder dass wir dem ein Stück näher kommen, erbitte ich mit Ihnen allen in dieser Zeit. Vielleicht geschieht einiges und wir können dann gemeinsam in der Osternacht Gott loben und preisen für alles, was er uns in dieser Zeit geschenkt hat.
Ihr Pfarrer Dr. Karl Engelmann
Aschermittwoch
„Zerreißt eure Herzen!“
Mit dem Aschermittwoch treten wir ein in die vierzigtägige Fastenzeit, die Vorbereitungszeit auf das hohe Osterfest. Gleich am Anfang werden uns im Evangelium die drei Grundsäulen der Fastenzeit vor Augen geführt: fasten – beten – Almosen geben. Diese drei Grundsäulen gehören wesentlich zueinander und leben voneinander. Fasten bedeutet nicht: „Ich muss jetzt abnehmen“, sondern ist die Gelegenheit, innerlich leer zu werden. „Fasten erhebt den Geist“, heißt es in einem Hochgebet. Beten bedeutet, sich bewusst Zeit zu nehmen und vor Gott zu treten. Immer wieder höre ich: Ich finde nicht die richtige Zeit und den richtigen Ort für das Gebet. Prinzipiell ist es gut, sich in den Tagesablauf eine gute Zeit einzuplanen und sie sogar in den Kalender zu schreiben. Wenn es zu Hause nicht leicht möglich ist, kann man in eine Kirche, eine Kapelle oder in die Natur hinausgehen. Almosen geben heißt, sich dem Nächsten zuzuwenden. Auch hier soll und muss man sich Zeit nehmen. Jemandem Zeit zu schenken, ist in der heutigen Zeit wahrscheinlich eines der größten Geschenke. Dies sind so die wesentlichen Punkte der Fastenzeit. Im Letzten machen es gerade diese drei Säulen möglich, dass sich unser Herz für Gott für uns selbst und für den Nächsten öffnet. Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!
Ich glaube, dass sich heute jeder fragen muss: Was ist von der Fastenzeit bei uns Katholiken übrig geblieben? Es geht nicht um Verkrampfung oder darum, dass der Mensch sich verbiegt. Es geht darum, dass wir zu unseren eigenen Wurzeln finden und sie spüren. Es geht um die Erfahrung, dass das Leben des Einzelnen ein geborgenes Leben und aus seinen Wurzeln heraus ein Leben der Zukunft ist.