Predigtimpuls zum Christtag 25.12.2020

P. Lorenz Voith CSsR, Marienpfarre Wien-Hernals

Früher einmal hat man sich die Mühe gemacht, zum Geburtstag einen persönlichen Brief zu schreiben.

Heute sind wir viel ärmer geworden- wir schreiben ein sms oder ein E-Mail, oder rufen einfach an, … wie schade. Ich darf trotzdem einen Brief schreiben. Nämlich an Jesus. Er hat heute Geburtstag.

Lieber Jesus!

Zu deinem Geburtstag muss ich dir einen Brief schreiben. Ich bin jedes Jahr immer neu fasziniert von deiner Botschaft, von deinem Hiersein, ja immer wieder neu überrascht, … vieles ist anders, als wir als Kirche so meinen, was richtig ist, … aber so ist es halt.

Weißt du, es gab so einen Typen, mit Namen Richard Dawkins. Er war eigentlich ein Biologieprofessor aus England, aber statt mit Bienchen und Blümchen beschäftigte er sich viele Jahre mit dem „Phänomen“ Gott. Er war auch kurz vor seinem Tod im Vatikan – bei einem Kongress; er war ja ganzseitig gelähmt, der Arme.

Er hat ein Buch geschrieben: „Der Gotteswahn“ – du ahnst es schon, er glaubt nicht, dass es deinen Vater gibt. In seinem Buch wirft er alle religiösen Vorstellungen in einen Sack und haut drauf.

Er sagt: Ein Flugzeug ins World Trade Center zu fliegen ist für ihn genauso verrückt wie ins Kloster zu gehen.  Aber ausgerechnet er will ein T-Shirt drucken, auf dem steht:  Atheisten für Jesus!

Er findet dich gut, weil er in dir ein Paradebeispiel für einen Mensch sieht, der „super nice“ ist. Ich bin mir nicht sicher, ob man das mit „supernett“ richtig übersetzt. Auf jeden Fall bewundert er an dir deine Mitmenschlichkeit.  Ihm geht es um deine Ethik und ganz und gar nicht um deine Beziehung zu Gott. Verrückt, oder?

Der Islam hingegen schätzt dich vor allem wegen deines Verhältnisses zu Gott: Laut Koran wurdest du von Gott direkt geschaffen, ohne menschlichen Vater, wie sonst nur Adam. Was der Biologen-Atheist Prof. Dawkins wohl dazu sagen würde?

Egal, es ist schon sehr interessant, dass du auch von Menschen positiv gesehen wirst, die mit dem Christentum eigentlich nicht viel anfangen können. Und sie sehen dich nicht nur positiv, sie reklamieren dich für ihre eigene Sache:  Richard Dawkins glaubt, wenn du in unserer Zeit leben würdest, wärest du auch Atheist; deine Beziehung zu Gott, meint er, sei lediglich der damaligen Zeit geschuldet. Seltsam. Und die Muslime sehen in dir einen prominenten Vertreter aus der Reihe der Propheten vor Mohammed:  Du bist „einer von denen, die Gott nahestehen“, wunderbar geboren und auch selbst ein Wundertäter. 

Jeder findet etwas an dir. Auch innerhalb deiner heutigen Jünger gibt es verschiedene Ansatzpunkte, sich für dich zu begeistern. Ich denke zum Beispiel an die beiden lebenden Päpste. Vielleicht unterstelle ich denen jetzt etwas, aber ich glaube, Papst Franziskus sieht dich eher als schöpfungsverbundenen Menschen. Und er mag dich bestimmt, weil du sozial engagiert warst: Du hast dich Armen und Ausgegrenzten zugewandt und dich mit ihnen identifiziert; die Natur ist ihm ein besonders Anliegen.

Der emeritierte Papst Benedikt dagegen betont vielleicht stärker deine spirituelle Seite; du bist der, der nächtelang auf dem Berg betet, eng verbunden mit Gott. Und für ihn hast du die Kirche gegründet, die Eucharistie und andere Sakramente eingesetzt.

Ich schreibe dir heute einen Geburtstagsbrief, weil ich staune, was für eine vielschichtige Gestalt du bist, die „Freund und Feind“ auf unterschiedliche Weise begeistert. Und ich frage mich, warum das so ist.

Für uns Christen, die wir weltweit leben, bist du ja wirklich das fleischgewordene Wort Gottes. Und darum wird wohl das Göttliche in dir so konkret, so anschaulich, so greifbar und verständlich. Wenn das so ist, dann hat sich Gott in dir sozusagen in einen Menschen übersetzt, damit wir etwas mehr von Gott verstehen.

Weißt du, bei uns gibt es so viele Theorien und Gedankengebäude über Gott, noch viel mehr als zu deiner Erdenzeit.  Und unter all diesen Gottesbildern gibt es bessere und schlechtere. Die schlechteren sind die Kerbe, in die dieser Dawkins und andere Gottesleugner hinein hauen.

Es scheint mir fast so, als seien aus all den Theorien über Gott die schlechten ausgesondert worden, und nur die guten Worte über Gott sind dann in dir Fleisch geworden.

Das ist enorm entlastend.  Sich mit all den Theorien über Gott zu beschäftigen, das schaffen höchstens Berufstheologen. Aber für die meisten Menschen, Glaubende?

Für sie genügt es, sich an dir zu orientieren.  Dann – das glaube ich ganz fest – sind sie Gott so nahe wie auf keinem anderen Weg.  Denn aus dir, lieber Jesus, strahlt das Göttliche so hell heraus, dass du sogar Atheisten und Muslime begeisterst.

Und dann gibt es sogar Menschen wie mich, die wegen dir in ein Kloster gehen und ihr Leben für dich wagen, … ja, auch das.

Also wünsche ich dir in tiefer Bewunderung alles Gute zum Geburtstag!

Dein P. Lorenz von der Marienkirche in Hernals.

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